Pressespiegel
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Fit für den Job.
Von Bärbel Schwertfeger
Coaching gibt es längst für jeden und alles. Doch wie findet man den richtigen Berater?
Margit W. ist frustriert. Seit Wochen ist ihr Job als Werbetexterin nur noch ein Albtraum. Der launische Chef, die intriganten Kollegen und die enorme Arbeitsbelastung zerren an den Nerven der 32-Jährigen. Dann rät ihr eine Freundin: "Geh doch mal zu einem Coach." Doch das ist einfacher gesagt als getan. Der Markt ist völlig intransparent und die Angebote vielfältig - vom Bewerbungs- über das Medien- bis hin zum Single-Coaching. Und weil immer mehr Menschen bei Problemen im Job die Hilfe eines professionellen Beraters suchen, entdecken immer mehr hier ein lukratives Betätigungsfeld. Schließlich reichen die Stundensätze von 75 bis 300 Euro.
"Ich würde mich erst einmal im Bekanntenkreis umhören und dann ein kostenloses Erstgespräch vereinbaren", rät Susanne Alwart von der Heinze+Alwart Beratung in Hamburg. Dabei sollte der Coach seine Vorgehensweise und den zeitlichen Ablauf darlegen und der Hilfesuchende sollte sich nicht scheuen, ihn nach seinen Qualifikationen und Erfahrungen zu befragen oder Referenzen einzuholen.
"Ein Coach muss offen mit seinem Lebenslauf umgehen", meint die Diplom-Ökonomin. Auf jeden Fall sollte er ausreichend Berufs- und Lebenserfahrung haben, am besten in der Branche seines Klienten. Denn wer bisher nur Berufseinsteiger beraten hat, ist nicht unbedingt der Richtige für Topmanager. "Er muss den Druck im Unternehmen selbst erlebt haben, sonst versteht er die Probleme nicht", sagt Alwart. Weiter sollte er eine umfassende Methodenkompetenz besitzen und eine längere Berater- oder Coachingausbildung absolviert haben.
Von einem "Flickenteppich" kurzer Weiterbildungen hält die Beraterin wenig. "Erst bei einer längeren Ausbildung bekommt man auch ein Feedback, wie man selbst wirkt." Auch die regelmäßige Supervision, bei der er seine anonymisierten Beratungsfälle mit einem Experten durchspricht, gehört zu den wichtigen Qualitätsmerkmalen. Von einem Berater, der sofort eine Lösung parat hat, sollte man lieber die Finger lassen. "Der Coach hat Verantwortung für die Methode, aber nicht für den Erfolg", betont die Coaching-Expertin. So müssten ihre Klienten stets auch zwischen den Sitzungen verschiedene Aufgaben bearbeiten. Häufige Anlässe für ein Coaching seien mangelnde Identifikation mit dem Job, Probleme bei der beruflichen Positionierung oder Mobbing. Bei der Beratung setzen die Coaches auf unterschiedliche Methoden. Das reicht von der Familientherapie über systemische Beratungsansätze bis zum Neurolinguistischen Programmieren (NLP).
Coaching ist aber keine Psychotherapie. Es geht nicht darum, die Person zu verändern, sondern ihre Kompetenz im Job zu verbessern. Daher muss die Einzelberatung immer begrenzt sein. Spätestens nach zehn Stunden sollte Schluss sein.
Martina Schmidt-Tanger, Gründerin der Professional Coaching Association (ProC) in Münster, fordert die materielle Unabhängigkeit der Berater. "Wer nur vom Coaching lebt, wird auch bei jedem Problem ein Coaching für notwendig halten." Ein guter Coach müsse auch andere Methoden anbieten und Aufträge ablehnen können. Nicht immer sei Coaching die Methode der Wahl.
Seit Januar zertifiziert ProC daher Coaches, die maximal die Hälfte ihrer Zeit als Coach tätig sind. Sie müssen mindestens 30 Jahre alt sein, ein Studium oder eine Berufsausbildung mit mindestens zehnjähriger Tätigkeit sowie eine umfassende Coaching- oder Beratungs- bzw. Therapieausbildung absolviert haben. Zudem brauchen sie Erfahrung mit der Arbeit in firmeninternen Kontexten - sei es als Führungskraft, Trainer oder Personalentwickler. Sie müssen selbst ein Coaching absolviert haben und 200 Beratungsstunden nachweisen. Auch beim Deutschen Verband für Training & Coaching e.V. dvct in Hamburg können sich Coaches zertifizieren lassen. Voraussetzungen sind ein Mindestalter von 30 Jahren, eine umfassende, abgeschlossene Coaching- oder Therapie-Ausbildung, ein akademischer Abschluss oder fünf Jahre Erfahrung als Coach oder Führungskraft. Für die Zertifizierung muss ein Fall schriftlich ausgearbeitet werden und ein Live-Coaching absolviert werden.
Deutlich niedriger sind die Hürden für das neue Din-Zertifikat der "Din Cercto Gesellschaft für Konformitätsbewertung GmbH" in Berlin. Hier genügt der Nachweis einer nicht näher definierten "Berufserfahrung im Coaching" sowie die Teilnahme an regelmäßigen Supervisionen. Zudem muss der Coach einen anonymisierten Fall vorlegen, eine zweistündige Klausur schreiben und ein Live-Coaching absolvieren.
Insgesamt bemühen sich inzwischen mindestens sechs Coaching-Verbände um Standards. Doch so lobenswert die Qualitätskontrollen sind, dem Ratsuchenden helfen sie nur bedingt weiter. Alwart: "Der Coach muss zum Kunden passen", sagt Beraterin Susanne Alwart.
Quelle: Die Welt, 31. Juli 2004.