Pressespiegel
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Rubrik: Karriere-Wissen
Widersprüchliche Erfahrungen mit
Neuro-Linguistischem Programmieren in
der Weiterbildung. Neue Kraft aus
Vorbildern schöpfen.
Von Dr. Susanne Motamedi.
Neuro-Linguistisches Programmieren ist
ein therapeutisches Konzept, das
zunehmend im Managementtraining
eingesetzt wird. Die
Kommunikationsmethode zielt auf
erfolgreiche, motivierte und kreative
Mitarbeiter.
Die Begründer des Neuro-Linguistischen
Programmierens (NLP), Richard Bandler,
John Grinder, Robert Dilts, Leslie
Cameron-Bandler und Judith DeLozier,
sind heute selbst nicht mehr mit der
Bezeichnung ihrer Kommunikationsmethode
zufrieden. Aber der Name setzte sich in
einem Zeitalter, in dem selbst Computer
mit neuronalen Netzwerken arbeiten,
schnell durch. Manch einer verwechselte
diese therapeutische Richtung mit einer
neuen Programmiersprache, und damit lag
er gar nicht so weit entfernt von einer
der wesentlichen Grundannahmen des NLP.
Menschliches Verhalten, meinen die
Theoretiker, ist gelernt - also in
gewisser Hinsicht programmiert. Wer sein
Verhalten ändern möchte, muß sich von
seinem automatisierten inneren Programm
befreien und sich umprogrammieren -
vorrangig auf neuronaler Ebene, was der
erste Teil des Namens verdeutlicht. Die
linguistische Komponente bezieht sich
darauf, daß sich Denk- und
Verhaltensmuster durch Sprache
darstellen und deswegen auch mittels
Sprache beeinflussen lassen.
NLP bezeichnet eine Sammlung
verschiedener therapeutischer
Interventionsmuster, die die Begründer
nicht neu erfunden haben. Ihre Leistung
bestand darin, sehr erfolgreiche
Kommunikatoren zu beobachten und deren
Verhalten in kleinen Schritten zu
systematisieren, um diese Fähigkeiten
anderen Menschen zu erschließen.
Seit Anfang der 80er Jahre wird NLP
nicht mehr nur im therapeutischen
Kontext angewendet, sondern immer
häufiger in der betrieblichen
Weiterbildung und im Managementtraining.
Dabei haben einige Firmen mit den
NLP-Techniken ihre Effizienz steigern
können, andere sind buchstäblich auf die
Nase gefallen und möchten von NLP nichts
mehr wissen.
Diese unterschiedlichen Erfahrungen
liegen nicht an der Methode selbst,
sondern an der Art, wie sie an ein
Unternehmen herangetragen wird, und
daran, in welchen Bereichen sie
Anwendung findet. NLP verfügt über
Methoden, die richtig angewendet sehr
effektiv sein können.
Die Methode ist sehr konkret und zeigt
Menschen auch die Grenzen ihrer
Entwicklungsfähigkeit auf. Es kann mit
NLP nicht jeder Einstein, Chopin oder
Disney werden, auch wenn das die
Gründerväter und -mütter in den Anfängen
propagierten. "Normale" Sterbliche
können sich aber die Fähigkeiten der
Genies in einem gewissen Maße aneignen,
um so ihren Alltag ein bißchen genialer
zu bewältigen.
Der große Unterschied von NLP zu anderen
psychotherapeutischen Techniken ist, daß
NLP so wenig wie möglich inhaltlich
arbeitet. Das bedeutet, daß ein Klient
seinem Therapeuten in den meisten Fällen
keine Inhalte über seine Probleme
erzählt. Der Therapeut erkennt aufgrund
der Körpersprache, ob der Klient in
einer guten oder schlechten Verfassung
ist. Möchte er an seinem Problem
arbeiten, dann versucht der Therapeut,
ihn vorher in eine möglichst kreative
und positive Stimmung zu bringen, in der
er leichter und ergebnisreicher
nachdenken kann.
Eingeleitet wird dieser innere Prozeß
durch gezielte Fragen und Aufgaben. Es
besteht nicht die Gefahr, daß der
Therapeut Ratschläge aus eigener
Erfahrung gibt oder in das Problem
hineingezogen wird. Der Berater leitet
also einen inneren, kreativen Prozeß
ein, ohne eine inhaltliche Richtung
vorzugeben. Er weiß nicht, was richtig
ist, sondern begleitet den Klienten auf
dem für ihn richtigen Weg.
Menschen reagieren auf das, was sie von
der Welt wahrnehmen, und nicht auf die
Welt selbst - das ist eine wesentliche
Grundannahme im NLP. Im Klartext: Die
meisten unserer Probleme sind
hausgemacht. Unser Verhalten in
Problemsituationen kann entschärfend
oder entzündend wirken. So gibt es
"objektiv" keinen Streß im Job, sondern
wir empfinden und interpretieren
bestimmte Situationen als stressig.
Deswegen können auch nur wir alleine
etwas dagegen tun und nicht die
Vorgesetzten, Kollegen oder Kunden.
Eine weitere Grundannahme ist, daß die
Bedeutung einer Äußerung sich nicht erst
anhand der ausgelösten Reaktion
beurteilen läßt. Nicht das, was wir mit
unseren Worten beabsichtigen, ist
maßgebend, sondern wie das Gesagte beim
Gegenüber ankommt.
Die Voraussetzung für jede Einflußnahme
ist im NLP der sogenannte Rapport.
Genauso, wie man einen Computer erst
dann programmieren kann, wenn man seine
"Programmiersprache" spricht, kann man
erst dann Einfluß auf einen Menschen
nehmen, wenn man verbal und nonverbal
dessen Sprache spricht. Der Begriff
Rapport stammt aus der klinischen
Hypnotherapie. Er steht für das
intensive Aufeinanderbezogensein von
Hypnotiseur und Klient.
Der Rapport zeigt sich nach außen hin in
einer verbalen und körpersprachlichen
Synchronisation. Besteht ein "guter
Draht" zum Gegenüber, ist ein gleiches
verbales und nonverbales
Ausdrucksverhalten zu beobachten. Lacht
beispielsweise immer nur ein
Gesprächspartner, so ist der Rapport
nicht hergestellt. Ebenso ist er nicht
vorhanden, wenn einer der beiden Partner
eine größere Veränderung in der
Körperhaltung zeigt (etwa durch
Veränderung der Sitzposition) und der
andere nicht im geringsten den Anlaß
verspürt, auch seine Haltung zu
verändern.
"Rapport ist ein Geschenk", sagt Thies
Stahl, NLP-Therapeut und Ausbilder in
Hamburg und meint damit, daß sich der
Rapport nicht bewußt "herstellen" läßt,
wie viele unseriösen NLPler behaupten.
Entsteht die verbale und
körpersprachliche Synchronisation, so
ist die Beziehung ausbaufähig und eine
Einflußnahme möglich. Bewußt den anderen
zu imitieren, um ihn beeinflussen zu
können, funktioniert nicht. "Imitiere
einfach nur das nonverbale und verbale
Verhalten des Gegenübers, bis er bereit
ist, dir nonverbal zu folgen, und du
kannst ihm alles verkaufen", ist eine
Annahme, die einfach nicht stimmt, aber
nichtsdestotrotz in der Busineß-Welt
weit verbreitet ist.
"Hier gibt es - wie in allen frei
zugänglichen Wissensgebieten auch -
viele Scharlatane oder sich selbst
überschätzende Anbieter, die wenige
Techniken des NLP zur eigenen
Selbstdarstellung nutzen und vor allem
beeindrucken wollen", warnt Heidrun
Strikker, Leiterin der
Personalentwicklung beim Bertelsmann
Buch Club. Für sie steht NLP für "neue
Erfahrungen mit sich selbst und mit
anderen Menschen, für
Selbstverantwortung im Miteinander und
für ein ganzheitliches Konzept des
Verstehens kommunikativer Prozesse".
NLP-Wissen unterstützt ihrer Meinung
nach Menschen darin, Perspektiven zu
erweitern und konstruktive Ergänzungen
des eigenen Verhaltensrepertoires zu
erlangen - und zwar innerhalb der
eigenen Werte und Zielsetzungen.
"NLP hat faszinierende Einsichten in die
Muster und Abläufe unserer Wahrnehmung
und unserer Sprache gebracht", ergänzt
Heidrun Strikker. "Für meine berufliche
Arbeit sind diese Einsichten von großer
Bedeutung, denn ihr ,Enträtseln im
Rahmen von Konfliktsituationen und das
Wissen um besseren Umgang miteinander
hilft Mitarbeitern und Führungskräften
unmittelbar weiter.
Quelle: Handelsblatt vom 17.10.97, S. k06.