Pressespiegel
--
Von "Happy Selling" bis Gedanken lesen
NLP - Umstrittene Praktiken, um der Sprache des Kunden
näher zu kommen / Von Jochen Paulus
Neuro-Linguistisches Programmieren - kurz NLP genannt - ist eine
kommunikative Technik, die man
auch für Verkaufsgespräche nutzbar machen will. Doch die Psychotechnik mit den großen Versprechungen trifft bei Personal- und Bildungsmanagern auf Skepsis.
Peter Jansen hat es gerade vom Vertreter zum Vorstandsmitglied der Deutschen Kapital und Sach AG gebracht, als er seinen Guru kennenlernt. Den Kontakt
zu Bodhan von Akino hat die Sekretärin
des Managers vermittelt. Er habe es "in
wenigen Minuten geschafft", ihr die
Angst vor Fahrstühlen zu nehmen, was
ihrem "Psychotherapeuten in vier Jahren
und gut einhundert Sitzungen nicht gelungen ist". Bodhan von Akino trägt einen Maßanzug von einem japanischen
Designer und einen schwarzen Rollkragenpullover. Das weiße Haar des wohl
über sechszigjährigen reicht bis über die
Schulter. Er beginnt, seinen Adlatus mit
oft eigenwilligen Übungen in der Kunst
der Kommunikation zu unterweisen.
Dazu benutzt er eine Methode mit dem
klangvollen Namen "Neurolinguistisches Programmieren", kurz NLP.
Jansen und von Akino sind natürlich
erfundene Figuren. Sie dienen als Helden einer "Business-Erzählung" von
Alexander Wagandt mit dem Titel "NLP
für Manager". Die Handlung dieses
Lehrromans ist schlicht: Von Akino hält
Jansen Vorträge über NLP und probiert
das Gelernte mit ihm aus. Das liest sich
dann so: "Wie heute wieder die Zeit vergangen war. Es war ein guter Tag. Vor
allem ein Tag mit neuen Erkenntnissen."
Der Band ist beileibe nicht das einzige Buch zu der in den letzten Jahren
bekannt gewordenen Psychotechnik. 124
Titel zählt das "Verzeichnis lieferbarer
Bücher" auf. Auf ihren Umschlägen stehen Verheißungen wie "Die Schatztruhe
- NLP im Verkauf. Das neue Paradigma
des Erfolgs" oder auch schlicht "Unterwegs zur Vollkommenheit". Heerscharen von Seminaranbietern haben NLP in
ihr Angebot aufgenommen. Einer der
prominentesten ist der Holländer Emile
Ratelband. Der gelernte Bäcker hat nach
eigenen Angaben bereits 300000 Teilnehmer geschult und ist so zum Multimillionär geworden (siehe Kasten).
Die meisten deutschen Handelsunternehmen beobachten den Trend bislang
eher aus der Ferne. "Im Moment kein
Thema für uns", sagt Rolf Kölling, der
Leiter der Aus- und Fortbildung bei
Wertkauf. "Spar macht es nicht", heißt
es aus der Hamburger Zentrale, "vielleicht in Zukunft mal", kommentiert Allkauf. Ludger Voßschmidt hält NLP für "wenig praktikabel für die Aus- und
Weiterbildung im Handel". Er koordiniert Weiterbildungsseminare der Akademie für Handelsmarketing, die für die
Konsumgenossenschaft Dortmund/Kassel arbeitet.
Mit NLP unzufriedene Kunden beruhigen
Bei einigen Firmen aber haben bereits Techniken aus dem NLP Einzug gehalten. Die Begeisterung der freien Trainer ist nicht ohne Folgen geblieben. "Die
Externen saugen solche neuen Tendenzen sofort auf und wursteln sie ein", beobachtet Claudia Bachen-Lebeck, die
beim Media Markt für die Personalentwicklung in Deutschland verantwortlich
zeichnet. In den Elektronik-Unternehmen werden "einige winzige Bausteine"
des NLP verwendet. Mit ihrer Hilfe sollen etwa Mitarbeiter im Service-Bereich
die Kunden beruhigen, die dort aufgebracht ihre nicht funktionierenden Geräte hintragen. ...
Erfolg ist machbar und für den NLP-Trainer Emile Ratelband eine Frage des Bewußtseins. Er läßt Manager und solche, die es werden wollen, über glühende Kohlen laufen und schreckt auch vor dem Einsatz von Schlangen und Vogelspinnen nicht zurück
... Auch bei Ratio fließt NLP "in Schulungen mit ein", berichtet Heike Ahmann, die für Aus- und Weiterbildung
zuständige Personalreferentin. Die ganze Methode zu unterrichten, hält sie allerdings für zu aufwendig. "Mit einer
eintägigen Schulung ist es sicher nicht
getan." Doch zumindest erfahren die
Einkäufer, daß die Gesprächspartner auf
der "Gegenseite" versuchen könnten,
NLP in Gesprächen einzusetzen. Hartmann Dollmann, der stellvertretende
Leiter der Personalentwicklung bei der
Emil Kriegbaum GmbH, hat selbst schon
eine Fortbildung in NLP absolviert und
verwendet einige Wahrnehmungsübungen daraus bei hausinternen Seminaren.
Den vorsichtigen Einschätzungen
stehen große Versprechungen der NLP-Verfechter gegenüber. "Abschied von
der Durchschnittlichkeit" verspricht
Buchautor Wagandt. Georg Bierbaum
demonstriert in seinem Buch mit dem
bescheidenen Titel "Happy Selling: Der
geniale Verkäufer", wie seine Schüler
angeblich "sehr stark unterschwellig"
auf ihre Gesprächspartner einwirken
könnten, "und zwar ohne deren Wissen."
Alfred Bierach lehrt die Leser seines
"NLP - die letzten Geheimnisse der
Starverkäufer" gar "mit einer großen
Trefferquote Gedanken lesen."
Solche aberwitzigen Anpreisungen
bringen den NLP-Anhängern aber auch
scharfe Kritik ein. Skeptiker zweifeln an
den verhießenen Erfolgen über Nacht.
"Lernen ist immer mit Anstrengungen
verbunden und braucht Zeit. Schnelle
Erfolge gibt es nicht. Das aber berücksichtigen die wenigsten NLP-Vertreter",
schreibt ihnen Peter Treichel, der Leiter
des Bildungswesens der Rewe ins
Stammbuch. Bahlsen bemüht sich um
Distanz zu dem besonders umstrittenen
Trainer Ratelband. Sein Auftritt mit
Spinnen und Klapperschlangen bei einer
Vertriebstagung sei eher zur Unterhaltung gedacht gewesen: "Man guckt halt
immer, daß man ein nettes Abendprogramm macht", sagt Pressesprecherin
Clarissa Wischermann. ...
--
"Schnelle Erfolge gibt es nicht"
Peter Treichel, Leiter Bildungswesen der Rewe Handelsgruppe, über NLP
NLP ist nach Meinung seiner Protagonisten - und welcher freie Trainer
und welche freie Trainerin ist das heute nicht - der große Schlager in der
therapeutischen und der Weiterbildungsszene: Es programmiert blitzschnell und unfehlbar negative Gefühle und Verhaltensweisen, Ängste und
Minderwertigkeitskomplexe weg und
setzt an ihre Stelle positive Gefühle,
erfolgreiches Verhalten und Selbstbewußtsein - so das Versprechen. Vorgesetzte werden auch mit den schwierigsten Mitarbeitern fertig, Verkäufer mit
den störrischsten Kunden, und jeder
kommt mit sich selbst besser klar,
wenn er nur an einem NLP-Training
teilnimmt. Wer die totale Lösung aller
Probleme verspricht, wer behauptet,
alles sei mit seiner Methode machbar,
wer zu allem und jedem Heilsversprechen abgibt und das "Rezept" NLP
verkündet, macht sich schon deshalb
unglaubwürdig.
NLP ist eine Mischung verschiedener Techniken, die seine Begründer
aus der Beobachtung von Therapeuten
gemixt und daraus zunächst eine neue
Therapieform kreiert haben. Sie hat
schnell Eingang gefunden in die Weiterbildungsszene, wie zuvor andere
Therapieformen auch.
In der Personal- und Führungskräfteentwicklung haben wir es aber
nicht mit "Klienten" zu tun, sondern
mit normal denkenden, motivierten
und leistungsfähigen Mitarbeitern und
Mitarbeiterinnen, die wir nicht programmieren, nicht manipulieren und
schon gar nicht dressieren wollen.
Sondern wir wollen sie in der Praxis
und in Seminaren mit ihren Führungsaufgaben und dem Handwerkszeug einer Führungskraft vertraut machen
und mit ihnen gemeinsam an Grundwerten der Führung und ihrer Umsetzung arbeiten. Wir wissen, daß letzteres eine mühevolle, aber lohnende
Aufgabe ist, bei der der Weg das Ziel
ist. Ebenso ist es mit den persönlichen
Grundsätzen und Einstellungen, die
eine Führungskraft für sich entwickeln
muß, um Glaubwürdigkeit, Integrität
und Authentizität und damit Akzeptanz und Vertrauen bei ihren Mitarbeitern zu erreichen.
Es ist immer noch so: Wer etwas
neu oder anders machen will, wer sich
Wissen und Fähigkeiten aneignen
will, muß selbst lernen. Lernen
braucht Zeit und ist immer mit Anstrengungen verbunden. Führen ist solides Handwerk und braucht Persönlichkeit. Dazu kann Personal- und
Führungskräfteentwicklung einen
Beitrag leisten, aber nur durch seriöse,
solide und verantwortungsbewußte
Arbeit.
--
... Ursprünglich war NLP eine Psychotherapie. In den siebziger Jahren analysierten der Mathematiker Richard Bandler und der Linguist John Grinder die
Techniken von drei berühmten amerikanischen Psychotherapeuten. Sie wollten
hinter die Erfolgsrezepte kommen, die
den Stars angeblich selbst nicht bewußt
waren. Später wurden auch erfolgreiche
Verkäufer analysiert. Dank dieser Vorarbeit soll es nun jedermann möglich
sein, deren Methoden ebenfalls anzuwenden.
Eines der Geheimnisse erfolgreicher
Kommunikation, das Bandler und Grinder angeblich fanden, sind die unterschiedlichen Repräsentationssysteme:
Manche Menschen denken demzufolge
beispielsweise visuell, sie stützen sich
auf Bilder. Andere dagegen sind auditiv
ausgerichtet, ihnen ist Gehörtes viel
wichtiger. Treffen diese zwei Typen aufeinander, reden sie leicht aneinander
vorbei.
Buchheld von Akino erzählt seinem
Schützling Jansen dazu die Geschichte
von dem Angestellten, der seinen Chef
über die wichtigen Daten einer Außenstelle informieren sollte. Der visuell orientierte Mitarbeiter trug fleißig Tabellen
und Graphiken zusammen und legte sie
stolz seinem Boß vor. Doch als auditiver
Typ schob der alles beiseite und bat, die
Ergebnisse einfach zu erzählen.
Wer erfolgreich kommunizieren wolle, etwa um zu verkaufen, sollte sich deshalb auf das Repräsentationssystem seines Gegenübers einstellen, raten NLP-Anhänger. Welches Repräsentationssystem der andere verwende, verrate seine
Sprache. Wer sagt: "Ich sehe das so", sei
visuell orientiert, wer meint: "Das klingt
gut", dagegen auditiv. Verkäufer sollten
deshalb immer die Sprache des Kunden
sprechen.
Zusätzlich kennen NLP-Theoretiker
noch das kinästhetische Repräsentationssystem des Fühlens und Ertastens
und das Olfaktorische des Riechens und
des Schmeckens. Welchen Kanal jemand gerade benutzt, verraten angeblich
auch die Augen. Sie sollen sogar noch
eine Zusatzinformation liefern. Wer
nach links oben schaue, erinnert sich angeblich gerade an etwas Gesehenes, wer
nach rechts oben blickt, konstruiert dagegen ein Bild vor seinem geistigen
Auge. Für akustische Prozesse gelte analoges, wobei die Blicke diesmal zur Seite
gehen. Wer nach rechts unten sehe, konzentriere sich dagegen auf Gefühle. Die
Richtung nach links unten deute auf einen inneren Dialog.
Unbewiesene Rezepte
und Banalitäten
Ob das stimmt, ist zweifelhaft. In
wissenschaftlichen Experimenten zeigte
sich, daß die Blickrichtung nur schwach
oder gar nicht mit dem Gebrauch der verschiedenen Repräsentationssysteme zusammenhängt. Auch andere Behauptungen der NLP-Vertreter schnitten
schlecht ab, wenn Forscher sie überprüften. "Die empirische Basis von NLP",
höhnte der Management-Berater Reinhard Sprenger in der "Wirtschaftswoche", sei "weder dürftig noch unseriös - sie existiert schlicht nicht". Selbst für die
ursprüngliche Anwendung als Therapie
fehlt immer noch "jede stichhaltige
Wirksamkeitsuntersuchung", so der
Schweizer Psychologieprofessor Klaus
Grawe.
Das alles hindert die stetig wachsende Schar der Anhänger aber nicht, die
unbewiesenen Rezepte zu propagieren.
Oft hören die sich auch durchaus plausibel an. Ein Prinzip lautet, sich möglichst
gut an den Gesprächspartner anzupassen. Das betrifft nicht nur die
Repräsentationssysteme, sondern kann auch bedeuten, dessen Körperhaltung,
Atemgeschwindigkeit und Sprachrhythmus zu...
--
"So schaffst Du, was immer Du willst."
"Power-Seminar" bei Emile Ratelband
Kaum hat das"Power-Seminar" angefangen, steht Trainer Emile Ratelband auch schon auf einem Stuhl in der ersten Reihe, schüttelt heftig den Kopf
des Nächstbesten der 150 Teilnehmer
und brüllt: "Wann war das letzte Mal,
daß Sie richtig begeistert waren?" Der
schon nach wenigen Minuten schweißgebadete Holländer argumentiert wie
ein überdrehter Staubsaugervertreter,
schlägt sich auf die Brust, daß das dort
angebrachte Mikrophon die Boxen
krachen läßt, und provoziert die Zuhörer: "Sie haben überhaupt keinen freien
Willen".
Da könnte etwas dran sein. Am
Abend des eintägigen Seminars marschieren Manager und Freiberufler
streng nach Ratelbands Anweisungen
über fünf Meter glühende Kohlen: Sie
richten die Augen gegen den Himmel,
rufen während des Gehens rhythmisch
das Mantra "Kühles Moos, kühles Moos" und schreien am Ende der Strecke
laut den Schlachtruf des Seminars:
"Tsjakkaa". Dazwischen liegt ein ereignisreicher Tag.
Über 60mal ballen die Teilnehmer
die rechte Faust und röhren dabei
"Tsjakkaa". Sie umarmen auf Ratelbands Kommando zehn Menschen, die
gerade in der Nähe stehen. Sie schneiden auf ihren Stühlen stehend Grimassen, zappeln und ahmen die Faxen des
Gegenübers nach, während aus den
Boxen Rockmusik dröhnt, die Scheinwerfer den Saal in buntes Licht tauchen
und der Trainer mit einer großen Wasserpistole herumspritzt. Zwei Seminarbesucher mit Angst vor Schlangen
lassen sich von Ratelbands Mitarbeiter
ein großes Exemplar um den Hals legen. Und Karl-Heinz springt mit bloßen Füßen in einen Haufen Glasscherben.
Denn Karl-Heinz sucht seit einem
Jahr eine neue Stelle als Marketingleiter einer Medizintechnik-Firma. Und
Ratelband hat ihm klargemacht, daß
wer barfuß in Glasscherben springt,
auch wieder eine Führungsposition
finden kann. Das leuchtet Karl-Heinz
ein. Zwar hat er sich schon hundertmal
beworben, aber nach diesem Sprung
wird er eine Stelle finden: "Morgen
geht's los." Ratelband kann diesen Optimismus nur unterstützen: "Wer ihm
glaubt, macht Tsjakkaa." "Tsjakkaa",
tobt der Saal.
Laut Ratelband kommt es nicht auf
die Wirklichkeit an, sondern nur auf
das, was man über sie denkt. Das lehrte
zwar schon der antike Philosoph Epiktet, doch so schlicht wie Ratelband hat
diese Anschauung noch selten jemand
vorgetragen. Man muß die Dinge einfach positiv sehen, so wie jener immer
gut gelaunte Veteran, den Ratelband
seinen Zuhörern als Vorbild empfiehlt.
Der erinnert sich gern an den Krieg bei
Stalingrad: "Hervorragend, da sind wir
zweitausend Kilometer gelaufen, das
waren noch richtige Winter damals."
Mit der richtigen Einstellung klappt
alles. "So schaffst Du, was immer Du
willst", verspricht ohne kleinliche Einschränkungen der Untertitel von Ratelbands kürzlich erschienenem Buch "Der Feuerläufer". In dem Werk finden
sich zahlreiche Perlen der richtigen
Denkungsart. "Die gescheiterte Ehe,
das verpaßte Flugzeug, die Kündigung", das sind doch alles nur "Meilensteine auf der Straße deines Erfolgs".
Auch in kleinen Dingen hilft Optimismus. Wer nicht an den Erfolg glaubt,
sucht selbst in der Peripherie endlos
nach einer Parklücke. Ratelband fährt
gleich ins Zentrum", und es gibt immer
einen freien Parkplatz für mich und
meinen Bentley".
Ratelband kommt, wie er selbst
sagt, von unten. Sein Vater starb als er
13 war, fortan führte seine Mutter die
Bäckerei der Familie weiter, und Klein-Emile verdiente sich die ersten Gulden,
indem er einen chinesischen Restaurant-Besitzer überredete, mehr Backwaren zu servieren und auch selbst
nicht immer nur Reis zu essen. Das Verkaufstalent reüssierte mit Bäckereien
und Pommesbuden, verlor jedoch bei
Fehlspekulationen mehrmals sein
Geld.
Dann lernte er 1988 den amerikanischen Trainer-Guru Anthony Robbins
kennen und beschloß, dessen Jünger zu
werden. Robbins machte ihn zu seinem
europäischen Statthalter, und wenig später gab Ratelband selbst Seminare
für Topmanager in halb Europa, so berichtete er es zumindest in seinem
Buch.
Wie Robbins arbeitet er mit Neurolinguistischem Programmieren (NLP)
und ist daher Spezialist in der Kunst,
Mißerfolge einfach wegzudefinieren.
So versprach Ratelband vor einigen
Jahren dem querschnittsgelähmten
Rollstuhlfahrer Joost Hartog, daß er im
Sommer 1996 wieder würde gehen
können. Hartog sitzt immer noch im
Rollstuhl, doch Ratelband erklärt ungerührt, das Gehen sei nur als Metapher gemeint gewesen.
--
...übernehmen. Dann fühlt der andere sich
verstanden und ist im zweiten Schritt
eher bereit, seinerseits Vorgaben etwa
des Verkäufers zu folgen.
Ähnlich trickreich geht eine andere
Technik vor. Sie geht davon aus, daß
Gefühle mit bestimmten Auslösern verbunden sind, sogenannten Ankern. Ein
solcher Anker kann eine bestimmte Berührung sein. Dieser Theorie zufolge
könnte bei einem Menschen ein leichter
Druck auf die linke Handfläche etwa das
Gefühl auslösen, Herr der Situation zu
sein. Aber auch Gegenstände können als
Anker fungieren. Der fiktive NLP-Meister von Akino nutzt diese Idee um eine
Buchhalterin, die er erst tüchtig verärgert hat, plötzlich gewogen zu stimmen:
Er spricht sie auf eine Hummelfigur aus
Porzellan in ihrem Schrank an, an der sie
offenbar hängt.
Solche Techniken, die auch von manchen Hypnotiseuren verwendet werden,
haben NLP den Vorwurf der Manipulation eingetragen. "NLP hat Moral - die
des Beherrschens. Hier wird gar nicht
mehr aufgeklärt, hier wird nur noch hypnotisiert", attackiert Kritiker Sprenger.
Auch der Buchautor Klaus Grenzheuser,
einer der schärfsten NLP-Gegner wirft
den Psychostrategen diese "schäbige
Trickserei" vor: "NLP ist eine Methode
des Zwangs, ohne den anderen den
Zwang spüren zu lassen. Es ist eine Methode der Vergewaltigung, die der andere nicht merkt."
Die Verteidiger des NLP behaupten
dagegen, sie wollten ihrem Gegenüber ja
nur helfen, und sei es als Verkäufer. Mit
ihren überlegenen Kommunikationsmethoden könnten sie die wahren Bedürfnisse des Kunden besser herausfinden
und darauf eingehen. "Mit NLP halten
Sie dann ein mächtiges Werkzeug in der
Hand; ein Werkzeug, das eine Persönlichkeit erfordert, die von hohen Idealen
geleitet ist", beschwört Bierbaum in
"Happy Selling" treuherzig seine Leser.
Eine weitere Verteidigungslinie führte die NLP-Trainerin (... ) bei
einer Informationsveranstaltung für
Ausbildungsinteressenten vor. "Wir manipulieren uns sowieso die ganze Zeit.
Lieber machen wir es bewußt und in guter Absicht." Aber was heißt es für einen
BMW-Verkäufer, der dank NLP feststellt, daß der Kunde mit einem
Kleinwagen eigentlich besser bedient wäre?
Darauf wußte sie keine Antwort.
Mit NLP herrscht ungebrochener Optimismus. Im Lehrroman für Manager
steigt Peter Jansen zum Vorstandsvorsitzenden auf und seine Mitarbeiter haben
dank NLP das Gefühl, "daß ihr Chef sie
so gut versteht wie kein anderer Vorgesetzte jemals zuvor."
Quelle: Lebensmittelzeitung Nr. 38 vom 19.09.97, S. 62 u. 64.