Pressespiegel
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Bunter Methoden-Mix
Neuro-Linguistisches-Programmieren
Man beobachte die besten Therupeuten, kopiere von ihnen die wirksamsten
Interventionsmuster, prüfe diese auf ihre Alltagstauglichkeit und mache sie für jedermann verfügbar. Dieser konsequente Pragmatismus gepaart mit einem geschickten Marketing verhalf NLP im Management-Training zu durchschlagender Popularität - und ist immer wieder Anlaß für heftige Kritik. Denn der reine Umgang mit einigen NLP-Methoden macht aus einer Führungskraft noch keinen genialen Kommunikator. NLP ist eben doch ein wenig mehr.
Seinen Namen verdankt das Neuro-Linguistische-Programmieren oder kurz
NLP wohl eher dem kalifornischen Wein und einer fortgeschrittenen Stunde, als sachlichen Überlegungen, bekannten
einmal Richard Bandier und John Grinder, die gemeinsam mit Robert Dilts, Leslie Cameron-Bandler und Judith DeLozier als Begründer des NLP gelten.
Der Name setzte sich dennoch durch und faßte im Computer-Zeitalter schnell Fuß. Manch einer verwechselte diese therapeutische Richtung sogar mit einer neuen Programmiersprache und lag damit gar nicht mal so falsch, zumindest was eine der Grundannahmen des NLP betrifft: Menschliches Verhalten ist "programmiert". Eine neue Formulierung war gefunden für die alte Hypothese,
daß Menschen ihr Verhalten erlernen. Möchte man ein Verhalten verändern, so die These, muß man sich von einem automatisierten inneren Programm befreien, sich sozusagen umprogrammieren. Und zwar auf neuronaler Ebene, was der erste Teil des Begriffs NLP zu verdeutlichen versucht. "Linguistisch" bezieht sich in diesem Zusammenhang darauf, daß sich Denk- und Verhaltensmuster mittels Sprache offenbaren und deswegen auch durch Sprache beeinflußt werden können.
NLP bezeichnet eine Sammlung verschiedener therapeutischer Interventionsmuster, die die Begründer jedoch nicht neu erfunden haben. Ihre
Leistung bestand vielmehr darin, erfolgreiche Therapeuten zu beobachten und ihr Verhalten zu systematisieren, um es allen Beratern zugänglich
zu machen. Intensiv beschäftigten sich Bandler & Co. mit dem Gestalttherapeuten Fritz Perls, dem Hypnotherapeuten Milton H. Erickson und der Familientherapeutin Virginia Satir.
Alles hat NLP beeinflußt - zur Entwicklung
Seit seiner Entstehung in den siebziger Jahren
wurden die grundlegenden Techniken des NLP
konstant erweitert und verfeinert. "Alles ist NLP",
sagen deswegen manche Mitglieder der NLP-Gemeinde selbstbewußt, werden damit aber der Entwicklungsgeschichte therapeutischer Richtungen in keinster Weise gerecht. "Alles hat NLP beeinflußt", wäre die richtigere Formulierung.
Seit Anfang der achtziger Jahre
wird NLP nicht mehr ausschließlich im therapeutischen
Kontext angewendet, sondern
auch in der betrieblichen Weiterbildung. Dabei haben einige
Firmen mit NLP-Techniken ihre
Effizienz steigern können, andere sind auf die Nase gefallen.
Diese unterschiedlichen Erfahrungen liegen weniger an der
Methode selbst, sondern eher an
der Art und Weise, wie und in
welchen Bereichen sie Anwendung findet. Versucht sich ein
Laie in NLP, entsteht mehr Schaden als Nutzen. Und genau da
liegt das Problem. NLP kann
jeder lernen, unabhängig davon,
welche Vorbildung er hat. Geworben wird mit Slogans wie
"Lernen Sie NLP und lassen Sie die Konkurrenz hinter sich!",
"Nie mehr unglücklich mit NLP" oder "Der Erfolg hat drei Buchstaben". Bereits in Wochenendseminaren wird daher mancherorts oberflächliches
Know-how vermittelt.
Dabei werden diese unklaren
Versprechungen der Methode in
keinster Weise gerecht. Im
Unterschied zu anderen psychotherapeutischen Techniken arbeitet NLP so wenig wie möglich
inhaltlich. Das heißt: Der Klient
bespricht sein Problem nicht
mit dem Berater. Der Therapeut
erkennt lediglich aufgrund der
Körpersprache - im NLP-Jargon
"Physiologie" genannt -, ob
der Klient in einer guten oder
schlechten Verfassung ist. Möchte er an seinem Problem arbeiten, versucht der Therapeut, ihn in eine möglichst kreative
und positive Stimmung zu bringen, in der er leichter und ergebnisreicher nachdenken kann. Der Berater leitet diesen inneren
Prozeß durch gezielte Fragen
und Aufgabenstellungen. Durch
diese Vorgehensweise wird
vermieden, daß der Therapeut
in das Problem des Klienten
hineingezogen wird oder selbst
Ratschläge gibt. Unabhängig von
der Meinung des Therapeuten,
so die Annahme von NLP, kann
der Patient die beste Lösung
für sich herausfinden und neue
Ideen entwickeln. Der Therapeut leitet also den Prozeß an,
ohne eine inhaltliche Richtung vorzugeben.
Rapport nutzen
Die Voraussetzung für jede Einflußnahme durch NLP ist der
Rapport. Die Annahme: Wie ein Computer, der erst programmierbar ist, wenn man die "Programmiersprache" kennt, kann der Therapeut erst Einfluß
nehmen, wenn er verbal und nonverbal die "Sprache" seines
Gegenübers spricht. Der Begriff
Rapport stammt aus der klinischen Hypnotherapie und bezeichnet das intensive Aufeinanderbezogensein von Hypnotiseur und Gegenüber. Bevor ein
Berater also mit Veränderungstechniken beginnt, baut er eine Vertrauensbasis zu seinem Klienten auf, die sich nach außen
in einer verbalen und körpersprachlichen Synchronisation
zeigt. Besteht ein "guter Draht"
zum anderen, kann man gleiches verbales und nonverbales
Ausdrucksverhalten beobachten.
Lacht indes z.B. in einem Gespräch immer nur einer, ist der
Rapport nicht hergestellt.
"Rapport ist ein Geschenk", sagt Thies Stahl, anerkannter
NLP-Therapeut und Ausbilder
in Hamburg, und drückt damit aus, daß der Rapport nicht
bewußt "hergestellt" werden
kann wie viele NLPler behaupten. Den anderen lediglich
zu imitieren, um ihn beeinflussen zu können, funktioniere
nur als Show-Effekt.
Die fünf Sinne einbeziehen
Die NLP-Techniken machen
sich die fünf Sinne eines Menschen zunutze: Sehen, hören,
riechen, fühlen, schmecken.
Die Theorie geht davon aus,
daß ein Mensch alle fünf Sinne
nutzt, um sich in der Welt zu
orientieren und um Probleme
zu lösen. Die unterschiedlich
ausgeprägte Fähigkeit, mit den
Sinnen wahrzunehmen, entscheidet schließlich maßgeblich
darüber, auf welchem Weg ein
Mensch sein Ziel erreicht. Die
Konzentration auf ein Sinnessystem kann beispielsweise als
Wahrnehmungsfilter wirken,
der dem Klienten naheliegende
Lösungsmöglichkeiten für
sein Problem vorenthält. Kann
ein Therapeut die Fähigkeit
seines Klienten in den vernachlässigten Systemen verbessern
und damit dessen Wahrnehmungsstrategien erweitern, eröffnen sich neue Möglichkeiten, mit Problemen umzugehen.
Mit Meta-Programmen arbeiten
Eine weitere therapeutische
Möglichkeit ist die Arbeit mit
den sogenannten Meta-Programmen. Diese Programme
zeigen, wie ein Mensch Entscheidungen trifft. Beispiel: Sieht
sich ein Berater einer Person
gegenüber, die ihren Arbeitgeber
wechseln möchte, damit sie mit bestimmten Schwierigkeiten nicht mehr konfrontiert wird, ist das führende Meta-Programm:
"Weg-von-x". Eine hilfreiche Intervention im Sinne von NLP wäre es nun, den Klienten nach seiner Zielvorstellung zu fragen. Wie soll sein neuer
Arbeitsplatz aussehen? Auf welche Faktoren legt er
Wert? Neben dem "Weg-von"-Programm baut der Klient parallel ein "Hin-zu"-Programm auf, das ihm mehr über seine Wünsche verrät und eine
Entscheidung tragfähiger werden läßt.
Glaubenssätze formulieren
Außer mit Meta-Programmen arbeitet NLP mit
sogenannten Glaubenssätzen, die nichts mit einer
religiösen Orientierung zu tun haben. Glaubenssätze geben Auskunft darüber, was ein Mensch im Leben für wahr hält. Glaubenssätze sind Teile des Modells von der Welt und charakterisieren die Möglichkeiten und Grenzen, in denen
sich ein Mensch bewegt. Ist beispielsweise eine
Frau der Ansicht "Alle Männer sind schlecht" und
verspürt gleichzeitig den Wunsch, einen Partner
zu finden, ist die Arbeit auf der Verhaltensebene
müßig. Damit sich die Frau wieder aufgeschlossen
dem anderen Geschlecht nähern kann, ist die Arbeit mit ihrem Glaubenssatz vordergründig. Erst, wenn sich ihre Einstellung ändert, kann sich auch
ihr Verhalten verändern (siehe Abb. S. 89).
Sprachmuster erkennen
Arbeitet ein Berater auf der inhaltlichen Ebene
mit seinen Klienten, achtet er genau auf Formulierungen. Neben dem Erkennen der Wahrnehmungsstrategien (5-Sinne) konzentriert er sich
darauf, ob ein Satz alle relevanten Informationen enthält - im NLP-Jargon: ob der
Satz "wohlgeformt" ist. Fehlen
Informationen, fragt er nach,
bis er alles Relevante kennt. Das
kann in manchen Fällen penetrant wirken, hat aber den Effekt,
daß der Klient selbst mehr Klarheit über sein Verhalten im Problemkontext gewinnt.
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Die neurolinguistische
Denkweise
Wie jede therapeutische Schule beruht auch
NLP auf einer Reihe von Grundannahmen. Diese
definieren die ethische Basis für die Zusammenarbeit zwischen Klient und Therapeut/Trainer.
Die im Beitrag beschriebenen Methoden und Interventionsstrategien sollen im Sinne dieser NLP-Philosophie eingesetzt werden.
"Menschen reagieren auf das, was sie von der
Welt wahrnehmen, nicht auf die Welt selbst."
Jeder Mensch nimmt die Welt anders wahr.
Aufgrund dieser Wahrnehmungen wählt er ein
bestimmtes Verhalten. Würde er anders wahrnehmen, könnte er sich anders verhalten. NLP
versucht, die Wahrnehmungsmöglichkeiten
zu erweitern und damit mehr Flexibilität in das
Verhalten zu bringen.
"Geist und Körper gehören zusammen -
sie beeinflussen sich gegenseitig."
Alles, was gedanklich passiert, hat eine Reaktion
im Körper. Jeder unterscheidbare Bewußtseinszustand wird an minimalen Veränderungen der
körperlichen Ausdrucksweise sichtbar (Physiologie). Aus diesem Grund ist es möglich, als Therapeut hilfreich zu sein, ohne zu wissen, welches
Problem der Klient gerade zu lösen versucht.
"Die Bedeutung einer Äußerung läßt sich erst
an der Reaktion, die man erhält, beurteilen."
Kommunikation hat genausowenig mit der Absicht des Kommunizierenden zu tun wie mit
der Wahl der Worte. Kommunikation bedeutet,
eine bestimme Reaktion im anderen hervorzurufen. Zwar ist es verständlich, jemanden verändern zu wollen, nach Ansicht der NLPler ist man
jedoch nur erfolgreich, wenn man die eigene
Kommunikation flexibel variiert.
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"Das Ziel ist höchstmögliche Flexibilität
im Verhalten."
In einem System ist dasjenige Element das führende, das über eine höhere Flexibilität verfügt als die anderen. Deswegen ist es NLP-Ziel, Verhalten
nicht mehr unkontrollierbar und automatisch
ablaufen zu lassen, sondern eine Wahlfreiheit im
Verhalten zu bewirken. Wenn also ein Verhalten
nicht funktioniert, wird ein anderes ausprobiert.
"Menschen funktionieren perfekt."
NLP hat keine"Störungsphilosophie".
Jeder
Mensch funktioniert perfekt, auf seine eigene Art
und Weise ist sein Verhalten logisch und
stimmig. Es beruht auf Erfahrungen, die ihn
dazu gebracht haben, in dieser oder jener Form
zu handeln. Wichtig ist, herauszufinden, wie
man selbst funktioniert, um gezielt auf Veränderungen hinwirken zu können.
"Hinter jedem Verhalten steckt eine
positive Absicht."
Jedes Verhalten im Leben eines Menschen erfüllt eine positive Funktion, auch wenn es in
einem bestimmten Kontext schädliche Auswirkungen haben kann. Kein Mensch erwirbt
eine Verhaltensweise, die grundsätzlich negativ
für ihn ist, sondern verfolgt mit seinem Verhalten immer eine positive Absicht. So gibt es
stets mindestens eine Situation, für die ein
bestimmtes Verhalten sinnvoll ist.
"Jeder Mensch verfügt über alle Ressourcen,
die er braucht."
Jeder Mensch verfügt über das, was er braucht,
um sich in einer bestimmten Art und Weise zu
verändern. Diese Kräfte können nicht von außen
kommen, sondern müssen dem Betroffenen oftmals lediglich wieder zugänglich gemacht werdet.
smo
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Ein Beispiel: Der Klient sagt: "In unserem Team nimmt
mich keiner als Führungskraft
ernst." Der Therapeut fragt
nach Zusatzinformationen: Wer
genau nimmt ihn nicht ernst?
Woher weiß das der Klient?
Ist es eine Vermutung? (NLP-Jargon: Gedankenlesen) Wie
äußert sich das "Nicht-ernstnehmen"? Wie möchte der Klient
stattdessen behandelt werden?
Was tut er selbst dafür, um
"ernst genommem" zu werden?
Gibt es Situationen, in denen
er sich "ernst genommen"
fühlt? Gibt es jemanden im
Team, der ihn "ernst nimmt"?
Der Berater kann zudem seine
Sprache an hypnotische Muster
anlehnen. Er drückt sich hierbei im Gegensatz zum penetranten Fragen bewußt unpräzise
aus, um tranceähnliche Zustände beim Klienten herbeizuführen. In dieser Form von Hypnose kann er mit dem Unbewußten
des Klienten konferieren. Der
Klient bleibt jedoch idealerweise
nur so lange im hypnotischen
Zustand, wie er selbst die Auffassung vertritt, daß ihm die Anregungen des Therapeuten helfen. Trance-Zustände empfinden
Klienten in der Regel entspannend: Sie bemerken, welch anstrengende Arbeit sie gleichzeitig
verrichten, träumen sozusagen
über ihr Problem und finden
quasi nebenbei tragfähige
Lösungen.
Ökologische Lösungen Suchen
Bei der therapeutischen Einflußnahme durch NLP muß
sichergestellt sein, daß die gefundene Lösung für den Klienten
"ökologisch" ist. Das meint,
daß ein Veränderungsprozeß
keine negativen Konsequenzen
haben sollte: Wenn jemand
lernt, sich gegenüber seinem
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Der Glaube versetzt Berge
Wird ein belastender Glaubenssatz ("Ich kann das nicht!")
erweitert, ergibt das für den
betreffenden Menschen die
Chance, viele neue Fähigkeiten
zu entwickeln, von denen jede
wieder viele neue Verhaltensweisen in unterschiedlichsten
Situationen ermöglicht. Das
Modell der Logischen Ebenen
von NLP-Entwickler Robert
Dilts gilt als Begründung dafür,
warum Verhaltenstraining
allein so selten vom erhofften
Erfolg gekrönt ist: Langfristige
Verhaltensänderung stellt
sich nur ein, wenn sie mit den
Einstellungen harmoniert.
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Chef besser durchzusetzen, darf das neu erworbene Verhalten nicht den Arbeitsplatz kosten. Man
betrachtet also nicht die isolierten Verhaltensweisen, sondern beschäftigt sich in Anlehnung an den
systemischen Gedanken mit dem Ganzen. NLP-Anwender verpflichten sich daher, nur ökologische Einflußnahmen zu vollziehen. Die in unseriösen Seminaren gepriesene Fähigkeit des "jedem-alles-verkaufen-zu-können", wenn man nur NLP
lerne, ist für die Kunden und damit auch für den
Verkäufer langfristig höchst unökologisch.
Für Managementtrainer kann es durchaus hilfreich sein, mit NLP-Techniken vertraut zu sein. So können NLP-Kenntnisse den Umgang mit
"schwierigen" Seminarteilnehmern erleichtern.
Beschäftigt sich der Trainer mit der Frage, welche
positive Wirkung sich der Störer von seinem Verhalten erhofft, gewinnt er neue Kräfte, um auf ihn
zuzugehen. So reagiert der Trainer unter Umständen gelassener und entwickelt mehr Ideen, um
den"schwierigen" Kandidaten zurück ins Boot zu
holen.
In einigen Fällen kann es auch interessant sein,
Seminarteilnehmer direkt mit NLP-Techniken
vertraut zu machen. Hier sollte sich der Trainer
jedoch kritisch fragen, ob die vermittelte Technik
von den Seminaristen in der konkreten Situation
sinnvoll angewendet werden kann. Voraussetzung
für den effektiven Einsatz ist schließlich die Fähigkeit, reflektiert beobachten und eigene Verhaltensmuster kritisch wahrnehmen zu können.
Dies gilt nicht zuletzt auch für alle Berater, die
NLP einsetzen wollen. Neben enormer Konzentrationsfähigkeit erfordert NLP geschulte Beobachtungsfähigkeiten sowie verbales und nonverbales
Einfühlungsvermögen. Dazu ist längst nicht jeder
in der Lage. Keines der üblichen NLP-Zertifikate
bescheinigt jedoch diese Fähigkeiten, die zum
täglichen Handwerkszeug eines jeden Therapeuten gehören. Inzwischen arbeiten die Verbände jedoch intensiv an neuen Bestimmungen.
Dr. Susanne Motamedi
Quelle: managerSeminare 10/98, S. 86-89.