Pressespiegel
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Coaching
Tipps vom Spielfeldrand
Von Miriam Tang, gms.
Was Politiker womöglich in Verruf bringt, steht Angehörigen anderer Berufsgruppen ohne Probleme offen: Sich einen professionellen Berater ins Haus zu holen, der die Karriere coacht.
Nicht nur Unternehmer und Politiker lassen sich beraten. Auch immer mehr andere Menschen holen sich professionelle Hilfe von einem so genannten Coach, der mit ihnen berufliche Probleme löst. "Der Coach ist ein Berater, der Leuten hilft, sich selbst zu helfen und ein Ziel zu erreichen", erläutert Professor Siegfried Greif, Leiter der Organisations- und Arbeitspsychologie der Universität Osnabrück. "Das ist mit dem Hochleistungssport vergleichbar. Möchte ein Sportler überdurchschnittliche Leistungen erreichen, braucht er einen guten Trainer."
Das gleiche gelte für Menschen, die in der modernen Gesellschaft mit ihren erhöhten beruflichen Anforderungen vorankommen wollen. "Ein guter Freund kann zwar sicherlich auch einen guten Rat geben. Der Coach ist aber unbefangener und geht mit systematischen Analysemethoden an das Problem heran."
Die Branche ist schwer zu überschauen. Genaue Zahlen über die Anzahl der Coaches und eine einheitliche Ausbildung existieren nicht. Nach Angaben von Christopher Rauen vom Bundesverband Coaching in Frankfurt gibt es allein im deutschsprachigen Raum 200 Coaching-Schulen. Auf dem Markt bieten studierte Psychologen ebenso ihre Dienste an wie Menschen mit betriebswirtschaftlichen Erfahrungen, die sich zum Coach fortgebildet haben.
NLP und Rollenspiele
Da gibt es Coaching für Einzelpersonen oder in Gruppen, interkulturelles, Vorgesetzten- oder Konfliktcoaching. So bunt wie das Angebot sind auch die dabei eingesetzten Techniken: so genanntes Neurolinguistischen Programmieren (NLP), Psychoanalyse, Gesprächs- und Familientherapie sind nur einige davon. Auch die Kosten sind nicht einheitlich. Die Gebühren für eine einstündige Beratung belaufen sich laut der Internationalen Coaching Federation in Berlin auf 50 bis 300 Euro je nach Kunde und Qualifikation des Beraters.
Welcher Coach mit welcher Methode der richtige sei, könne der Kunde nur durch Ausprobieren oder im ersten Vorgespräch herausfinden, sagt Rauen. Er selbst arbeitet zum Beispiel oft mit Führungskräften an ihren Problemen mit Mitarbeitern. "Viele Vorgesetzte erhalten von ihren Mitarbeitern und Kollegen keine ehrlichen Rückmeldungen zu ihrem Verhalten mehr, weil sie nach kritischen Anmerkungen Sanktionen befürchten", sagt Rauen. Da helfe dem Vorgesetzten ein Wechsel der Perspektive - zum Beispiel in die Rolle des Mitarbeiters -, um das eigene Verhalten in einem anderen Licht zu sehen.
Coaches helfen, die jeweilige Situation zu analysieren und geben Hinweise, wie die erkannten Probleme erfolgreich angegangen werden können. "Gemeinsam mit dem Kunden analysiere ich, wie deren Wertvorstellungen die Wahrnehmung der Realität steuern und wie sich Verhalten gegebenenfalls korrigieren lässt", erklärt die ehemalige Bankangestellte und jetzige Beraterin im Finanzsektor Claudia Christen aus Frankfurt.
Keine Patentrezepte
In einem sind sich Rauen und Christen einig: Sie wollen keine Patentrezepte liefern, sondern dem Kunden helfen, seine Probleme selbst zu erkennen und Lösungen zu finden.
Die Unübersichtlichkeit der Szene soll sich nach Wunsch der Wissenschaft und der Berufsverbände ändern. Der deutsche Verband für Coaching und Training (DVCT) in Hamburg entwickelt derzeit eine Zertifizierung für Berater. "Ein Coach sollte auf jeden Fall eine gewisse Lebenserfahrung und eine methodische Ausbildung wie zum Beispiel die Familientherapie haben", sagt DVCT-Vorsitzender Valentin Nowotny. An der Universität Osnabrück widmen sich zurzeit mehrere Doktor- und Diplomarbeiten diesem Thema. Professor Greif geht davon aus, in einem Jahr erste Ergebnis vorliegen zu haben.
"Leute, die einem direkt das Blaue vom Himmel versprechen, sind oft Scharlatane", sagt Greif. Wichtig seien Fragen nach der Ausbildung, den angewandten Methoden und einem realistischen Lösungszeitraum. Auch Rauen appelliert bei der Auswahl des Coaches an den gesunden Menschenverstand: "Unterschreiben sie nicht beim Vorgespräch direkt einen Vertrag." Seriöse Berater ließen den Menschen immer genug Zeit, sich zu entscheiden.
Quelle: SPIEGEL ONLINE vom 13. April 2004.