Pressespiegel
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NLP - Mode, Magie oder doch mehr?
Martin Egger
"Innig geliebt" und "heftig bekämpft", so lassen sich derzeit die unterschiedlichen Meinungen zum NLP, dem Neurolinguistischen Programmieren beschreiben. Mit einem Computer hat es nichts zu tun und doch werfen die Kritiker dem noch jungen NLP vor, eine Technik zu sein, die auf das Umprogrammieren von Menschen zielt. In der Entwicklung des NLP sind durchaus lautere Motive zu erkennen, wenn auch manche Auswüchse in letzter Zeit das Gegenteil zu beweisen scheinen.
Die Entstehung in Kalifornien seit 1972
In einem universitären Forschungsprojekt gingen einige Studenten mit ihrem Professor (John Grinder) der Frage nach, warum es sehr unterschiedliche Therapierichtungen und in jeder Richtung gleichermaßen erfolgreiche Therapeuten gibt. Die Gruppe stellte fest, daß nicht die Therapierichtung selbst, sondern die Kommunikationsweise der Therapeuten mit ihren Klienten ausschlaggebend ist, und hier stellte die Forschungsgruppe erhebliche Übereinstimmungen zwischen den Therapeuten z.B. im Gebrauch von sprachlichen Formulierungen fest.
Der damalige Student Richard Bandler und sein Professor John Grinder sowie einige weitere Studenten aus der Gruppe forschten an der Thematik weiter. Nachdem die sprachlichen Zusammenhänge (= linguistisch) erforscht zu sein schienen, wendeten sie sich der nonverbalen Kommunikation insbesondere der sinnlichen Wahrnehmung (= neuro) zu und entdeckten hier ein weitreichendes, noch unerforschtes Feld. Von Bandler und Grinder stammt die Erkenntnis, daß die menschliche Kommunikation untrennbar an die sinnliche Wahrnehmung gekoppelt ist und von letzterer individuell bestimmt wird; sie vollzieht sich in Mustern, die zu einem hohen Prozentsatz bei allen Menschen gleich sind, aber eben zu einem geringen Prozentsatz unterschiedlich (= Programme) sind und dieser die Individualität letztlich ausmacht. Sie entwickelten Instrumente, diese Muster in kleinste Schritte zu unterteilen und so dem Bewußtsein zugänglich zu machen. Zu diesem Zeitpunkt gaben sie ihrer Forschung aufgrund der beteiligten Komponenten den Namen: Neurolinguistisches Programmieren. Noch heute wesentlich ist die Erkenntnis, daß sobald diese Muster mit ihren einzelnen Segmenten bekannt sind, ungünstige Teile als solche erkannt und verändert werden können. So entsteht ein neues Muster, welches sich vielleicht als effektiver erweist. Bandlers und Grinders Verdienst ist es, diese Komponenten menschlicher Kommunikation entschlüsselbar, lern- und lehrbar gemacht zu haben.
NLP-Zielsetzung nach 1978
Die Erkenntnisse von Bandler und Grinder verbreiteten sich recht schnell und immer öfter kamen und kommen NLP-Strategien in allen Bereichen menschlichen Zusammenlebens zum Einsatz, wenn es um die Verbesserung von menschlicher Kommunikation im weitesten Sinne geht. Das Schlagwort heißt "Modelling" und bedeutet, daß das Handeln sehr erfolgreicher Menschen genau analysiert wird, um herauszufinden, in welchen Verhaltensmustern diese Menschen anders als die weniger erfolgreichen sind.
NLP gerät eigentlich zwangsläufig in die Kritik, wenn suggeriert wird, daß ich "lediglich ein Programm in seinem Ablauf verändern muß, um erfolgreich zu sein". Im NLP steckt mit Sicherheit das Potential, z.B. eigene Denkblockaden zu entdecken und die Ursachen herauszufinden. Es eröffnet Wege, in schwierigen Situationen besser zurecht zu kommen, aber es kann nicht alle Ergebnisse bringen, die nach dem Motto suggeriert werden: "Du mußt es nur fest genug wollen". Zurückblickend auf die Ausgangsüberlegungen und auf den Anspruch im NLP ist festzustellen, daß der einzelne Mensch nicht als Objekt der jeweiligen Technik gesehen wird, sondern in seinem subjektiven und individuellen Erleben wahr- und ernstgenommen wird. Diese Sicht ist in das NLP weitreichend eingegangen; gleichzeitig liegt hier ein Hauptanlaß zur Kritik, wenn einzelne Personen oder Gruppierungen nur sich selbst als wichtig erachten und/oder mit Hilfe von NLP-Techniken den anderen Menschen zum Objekt ihrer eigenen Interessen machen.
Grundprinzipien
Das Neurolinguistische Programmieren (NLP) basiert auf den folgenden Prinzipien, die in fundamentaler Weise wichtig, gleichberechtigt und unverzichtbar sind; die unterschiedlichen NLP-Techniken sind eigentlich nachrangig; sie sollen dieser Gleichberechtigung und Unverzichtbarkeit Rechnung tragen:
Rapport, d.h. eine Beziehung zu einem anderen Menschen aufnehmen, die von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt geprägt ist
Wahrnehmung, d.h. sich selbst und Andere in den jeweiligen Reaktionen auf innere und äußere Wahrnehmungen sinnesspezifisch wahrnehmen
Zielfindung, d.h. die Beantwortung der Frage: "Was will ich eigentlich wirklich und wie weiß ich, wann ich mein Ziel erreicht habe?"
Ökologie, d.h. mein Verhalten hat immer Auswirkungen auf mich und auf andere; angestrebte Veränderungen müssen zu mir, zu meinen Werten, Fähigkeiten, Einstellungen und meiner Umgebung passen und ich muß abwägen, ob ich aufgrund der Konsequenzen die Veränderung wirklich anstreben will.
Kritikpunkte
Motivation ist alles! Manche Erfolgserlebnisse sind mit Einsatz von NLP-Strategien recht schnell erreichbar. Allein die Frage: "Was ist Dein Ziel?", löst bei vielen Befragten ein entsprechendes Reagieren aus. Kritisch ist zu würdigen, daß NLP mancherorts als Allheilmittel angepriesen wird und die erwähnten Basisprinzipien (s.o.) nicht gleichermaßen berücksichtigt werden. Feuerlauf ist nötig! Es scheint mir verhängnisvoll zu sein, daß immer häufiger sogenannte Motivationstrainer ihr erfolgreiches Wirken damit nachweisen (wollen, müssen), daß sie zum Abschluß eines derartigen Seminars über Glasscherben oder glühende Kohlen gehen. Viele Menschen, die sich als Kinder irgendwann einmal die Finger verbrannt haben, denken eher mit unguten Gefühlen an derartige Prüfungen. Wer diesen Selbstbeweis nötig hat, soll es eben tun: mit NLP im ursprünglichen Sinne hat es nichts zu tun, es sei denn, ich stelle mir die Frage: "Wofür ist es wichtig zu tun"? If you can dream it, you can do it! Dieser Satz soll suggerieren, daß nun wirklich all das erreichbar ist, was ich mir vorstellen kann. Ein geübter NLP-Anwender wird schlicht nachfragen: "Ist wirklich ALLES möglich und wofür ist es wichtig?"
NLP - eine Gefahr auch für Kinder?
Ich habe die Entstehungsgeschichte des NLP etwas ausführlicher dargestellt, auch um zu verdeutlichen, daß NLP und NLP-Techniken zunächst frei von Inhalten und Weltanschauungen sind. Diese und eventuell resultierende Gefährdungsmomente entstehen ausschließlich durch den jeweiligen NLP-Anwender und durch seine, ihm eigene Zielsetzung. Ein NLP-Anwender, der die o.g. Grundprinzipien des NLP beherzigt bzw. verinnerlicht hat, wird für seine Umwelt eine Wohltat sein; ein NLP-Anwender, dem es ausschließlich um die Realisierung eigener Ziele ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für andere Menschen geht, sieht in seinem Mitmenschen nur das Objekt und nicht ein sich selbst bestimmendes Subjekt. Deutlich muß sein, daß nicht NLP die eigentliche Gefahr ist, sondern derjenige, der den Mißbrauch will und mit NLP ein sehr wirksames Werkzeug erhält. Die Jahre, in denen NLP eine immense Verbreitung gefunden hat und nicht hinterfragt wurde, sind glücklicherweise vorbei; die Jahre, in denen NLP aufgrund z.B. unzureichender Ausbildungsvoraussetzungen und berechtigter Kritik gegenüber einigen NLP-Vertretern verallgemeinernd mit Sekten und Esoterik in Verbindung gebracht wird, sind leider noch nicht vorbei. Das wirksamste Mittel für und gegen NLP ist eine fundierte Aufklärung, die den Blick nicht auf die einzelne NLP-Technik richtet, sondern den Anwender und seine Interessenlage kritisch würdigt.
Einsatzfelder
NLP hat in seiner relativ kurzen Geschichte bereits eine weite Verbreitung erfahren, was ein Indikator ist, daß viele Anwender es als wirksam und effektiv einschätzen. Inzwischen kommt es in zahlreichen Bereichen zum Einsatz, so z.B.
Kommunikationstraining. NLP macht den Zusammenhang von verbaler und nonverbaler Kommunikation deutlich und hat zahlreiche Strategien und Methoden entwickelt, Kommunikation gerade im nonverbalen Bereich zu verbessern. Implizit und/oder explizit kommen NLP-Techniken bereits seit längerer Zeit im sog. Business-Bereich in sämtlichen Kontexten zur Vermittlung, in denen z.B. Kundenkontakte verbessert werden sollen. In dem Gedankenkonzept der "Lernenden Organisation" finden sich z.B. zahlreiche Beispiele, Strategien und Techniken, die unter gleichem oder anderem Namen im NLP bekannt sind.
Lehren und Lernen. Der Amerikaner Robert Dilts hat gerade in diesem Bereich zahlreiche Techniken herausgearbeitet, die nonverbale Strategien zur Vermittlung von Lerninhalten nutzbar machen. Die Bandbreite der Möglichkeiten reicht von der Etablierung bestimmter Lern-, Aufmerksamkeits- und Disziplinierungsorte im Klassenraum über bestimmte Gedächtnisstrategien bis hin zur Nutzung bestimmter Augenstellungen bei der Förderung von Kindern mit einer Lese-/Rechtschreibschwäche.
Modelling. NLP ist entstanden, als die Verhaltensweisen besonders tüchtiger Therapeuten erforscht und mit den Verhaltensweisen weniger tüchtiger Therapeuten verglichen wurde. Es wurden somit Modelle ausgewählt, erforscht und die besonderen Strategien, die den Unterschied zwischen Erfolg und besonderem Erfolg ausmachen, herausgearbeitet. Diese Herangehensweise ist typisch für NLP und da in vielen Menschen und Lebenszusammenhängen die Suche nach Höchstleistung immanent ist, werden immer neue Strategien bekannt, die als NLP bekannt und z.B. in Fortbildungsveranstaltungen weitergegeben werden. Insofern wird NLP auch als ständig wachsendes Modell bezeichnet.
Therapie. NLP ist kein direktes Therapieverfahren; zu warnen ist vor der Einstellung mancher selbsternannter Therapeuten, die keine psychologische Grundausbildung haben und nach einer NLP-Ausbildung daran gehen, jetzt therapeutisch wirken zu wollen. Bekannt und inzwischen recht zuverlässig ist die sog. Kurzzeittherapie, deren Vetreter wohl u.a. NLP-Techniken anwenden, aber ebenfalls eine fundierte Ausbildung in einer anderen Therapierichtung haben.
NLP und Ausbildungskriterien
Aufgrund der hohen Effizienz von NLP-Techniken hat die Methode dadurch Schaden genommen, daß plötzlich alles als machbar dargestellt wurde. Die in Deutschland bestehenden NLP-Vereine und Verbände haben sich im Jahre 1996 zu dem Deutschen Verband für Neurolinguistisches Programmieren (DVNLP) zusammengeschlossen. Dieser Verband verfolgt die Entwicklungen im NLP recht kritisch und versucht, durch die Verpflichtung der ihm angeschlossenen Trainer auf Ausbildungsinhalte und -qualitäten das Niveau der NLP-Ausbildungen deutlich anzuheben.
Die vorgestellten Kritikpunkte an NLP werden in den Verbänden natürlich auch diskutiert. Die Mitgliedschaft jedoch z.B. im DVNLP ist selbst für Trainer nicht verpflichtend und so werden NLP-Zertifikate ausgestellt, die nur teilweise international anerkannt werden und eine fundierte Ausbildung belegen. Im Rahmen der NLP-Ausbildung werden vier Ausbildungsstufen unterschieden, die weltweit bekannt sind: NLP-Practitioner (Praktiker), NLP-Master-Practitioner, NLP-Trainer und in Deutschland der Lehrtrainer im Deutschen Verband für NLP. Direkte NLP-Ausbildungen sollten dem (Lehr-)Trainer vorbehalten sein. Zertifikate von Nicht-(Lehr-)-Trainern werden in der Regel von anderen Trainern nicht anerkannt. Zu achten sind auf die Trainerqualifikation, die Ausbildungsinhalte, die Ausbildungsdauer und die Zertifizierung, d.h. die möglichst überregionale und internationale Anerkennung der Ausbildung, was z.B. durch das Ausbildungssiegel des Deutschen Verbandes für NLP gegeben ist. In der NLP-Ausbildung werden die theoretischen Kenntnisse und die praktischen Fähigkeiten vermittelt und eingeübt, um die grundlegenden Techniken des NLP zu verstehen und diese konstruktiv, flexibel und verantwortungsvoll anwenden zu können. Ein weiteres Ziel ist, den Respekt und das Verständnis in der zwischenmenschlichen Kommunikation zu fördern und den Einzelnen bei seinen persönlichen Entwicklungsprozessen zu unterstützen.
Ist NLP eine Gefahr?
Die Chancen von NLP liegen wie dargestellt in einer möglichst fundierten Ausbildung. Gefährdungsmomente durch den Einsatz von NLP-Techniken sind weniger der Technik selbst als dem Anwender zuzuschreiben. Häufig fällt an dieser Stelle das Wort 'manipulieren'. Als Pädagoge habe ich eine bestimmte Vorstellung von meinem Beruf, von meiner Aufgabe. Als Vater von drei Kindern bin ich mir durchaus bewußt, meine Kinder in einem bestimmten Sinne, mit einer bestimmten Weltanschauung zu erziehen. Manipuliere ich damit nicht auch? NLP ist zunächst wertneutral; erst der Anwender verleiht ihm durch seine Sicht dieser Welt Wirkung in einer bestimmten Richtung. Hier liegen gleichermaßen Chancen und Gefahren.
Zum Autor:
Martin Egger, Diplom-Pädagoge, ist langjährig leitend in der Erwachsenenbildung tätig; er ist seit 1988 Vorstandsmitglied der Kath. Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz e.V. und im Deutschen Verband für NLP als NLP-Lehrtrainer engagiert.
Quelle: Thema Jugend. Zeitschrift für Jugendschutz und Erziehung. Hrsg.: Katholische Landesarbeitsgemeinschaft Kinder und Jugendschutz NW e.V. Heft 3/98, S. 11-12.