Pressespiegel
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Immer einen Grund zum Lächeln
Ein paar Tricks aus dem NLP-Lehrbuch - und schon klappt's auch mit der
Kommunikation? Ein Seminarbesuch
Cornelia Dörries
Nennen wir ihn Matthias. Um die Dreißig, gebügeltes Karohemd und eine praktische
Frisur, vielleicht ein bisschen zu kurz. Ein ganz normaler Vertreter seiner Generation, die
nach Studium und ersten Erfahrungen in der Arbeitswelt zum beruflichen Erfolg ansetzt.
Und Matthias hat keine schlechten Karten: ein gutes Diplom, vorzeigbare Referenzen
und Auslandserfahrung sowie eine Festanstellung bei einer Consultingfirma. Er wirkt
mit sich und der Welt im Reinen. Was um aller Welt treibt ihn also an einem Sonnabend
in ein Psycho-Seminar, in dem sich alles um Neuro-Linguistisches Programmieren
(NLP) dreht, um Zustandsmanagement und sinnesspezifische Kommunikation?
Matthias, wie auch den anderen zehn Leuten, die sich zum Schnupperkurs im Berliner
IOS angemeldet haben, geht es um eine Verbesserung der eigenen
Kommunikationsfähigkeiten, vor allem im Beruf. Die Teilnehmer sitzen im Kreis um
einen teuren Teppich und erzählen von ihren Defiziten. Da ist Hermann, Geschäftsführer
eines Versicherungsunternehmens, der angesichts ständiger Umstrukturierungen mit
seinem personalpolitischen Latein am Ende ist und nach neuen Wegen der Vermittlung
von vermutlich wenig erfreulichen Nachrichten sucht. Oder Grazia, die außer der neuen
Farbe für die Beletage in ihrem Lichterfelder Einfamilienhaus keine großartigen
Probleme hat, aber an sich arbeiten will. Und eben Matthias, der mit seiner
Akquisebilanz nicht zufrieden ist und seine Kundenkontakte optimieren will.
Glücklose Kommunikation muss nicht sein, und Veränderung ist möglich, jawohl. Davon
sind sie alle überzeugt, vor allem Seminarleiter Werner Krejny. Er berichtet mit
Entertainer-Duktus von den unendlichen Möglichkeiten der Kommunikation, und wie
einfach alles sein kann, wenn man nur ein paar kleine Tricks beherrscht - die er
natürlich längst drauf hat. Seine Fragen nach den persönlichen Vorstellungen und
Erwartungen sowie ein paar Informationen über die folgenden Stunden sind gespickt
mit Kunstgriffen aus dem NLP-Lehrbuch.
Da gibt es zum Beispiel das "Yes-Set". Stelle Deinem Gegenüber anfangs einfache
Fragen, die nur mit Ja zu beantworten sind. Und komme nach dem Geplänkel, ohne den
freundlichen Tonfall zu verändern, zum entscheidenden Anliegen. "Es wird zuverlässig
funktionieren", sagt Werner Krejny. Der fette Auftrag, die Gehaltserhöhung, die
Vertragsverlängerung - kein Problem mehr.
Dass dieses Yes-Set, ein NLP-Klassiker, als Manipulationsinstrument des an solcherlei
Methoden reichhaltigen Psycho-Trainings verständlicherweise in Verruf geraten ist und
die Vertreter des Neurolinguistischen Programmierens in die Nähe der Seelenfänger
von Scientology rückte, wird noch schnell erwähnt. Doch davon abzuraten, so weit will
man nicht gehen. Warum auch? Schließlich wären damit entscheidende Probleme
gelöst, an denen viele der Anwesenden nach eigenem Bekunden schon lange
laborieren: geschäftliche Erstkontakte, Akquisition, Verkaufsgespräche.
Schwierigkeiten im Umgang mit Kunden oder Geschäftspartnern haben nämlich von
Natur aus damit zu tun, dass einer sein Geld für etwas hergeben soll, von dem er nicht
sicher ist, ob er es überhaupt braucht oder woanders günstiger bekommt. Es geht, ganz
simpel, ums Verkaufen. Nicht nur des Produkts, sondern auch der eigenen Person. Und
das funktioniert besser mit NLP, das einem Menschen die Fähigkeit verleiht,
unabhängig von seiner eigenen seelischen Verfassung als freundlicher,
kommunikativer und verständnisvoller Gesprächspartner aufzutreten, der zur rechten Zeit
das Richtige sagt, auf sein Gegenüber mit traumwandlerischem Einfühlungsvermögen
einzugehen weiß, selbstsicher durch eine schwierige Verhandlung navigiert und
eigentlich immer einen Grund zum Lächeln findet.
Das alles kommt gut an. Und deshalb greifen viele Personalabteilungen in den
Unternehmen immer öfter auf NLP zurück, wenn die Belegschaft für neue
Herausforderungen gerüstet werden soll. So lange sich die 1974 von Milton Erickson in
den USA entwickelte Methode auf das Coaching von Managern, Verkäufern und
Fernsehmoderatoren beschränkt, gibt es nichts dagegen zu sagen. Sicher, die feinen
Kniffe, die man in einem ausführlichen NLP-Practioner-Kurs, der am IOS ein knappes
Jahr dauert, für den "Eigenbedarf" lernt, erlauben so einige manipulatorische
Punktgewinne. Das Yes-Set ist nur ein Aspekt, sich "ein Ja abzuholen", wie Werner
Krejny das formuliert. Vom Lebenspartner, vom Chef, von zögerlichen Klienten.
Aber ob jemand, der bis dahin als verdruckster Eigenbrötler galt, danach die Herzen im
schmeichelnden Sturm seines neuerdings charmanten Parlando erobert, ist fraglich.
Eine Charaktermetamorphose lässt sich mit dem Wissen, erworben einem
Practioner-Kurs, nicht bewerkstelligen. Für rhetorisch begabte Menschen hingegen
können die Raffinessen des NLP durchaus eine Bereicherung des eigenen Talents
darstellen. Problematisch sehen die Kritiker vor allem eine Psychotherapie auf
NLP-Basis. Eine handfeste endogene Depression lässt sich neurolinguistisch nicht
wegprogrammieren. Denn die kommunikationszentrierte Selbstkonditionierung hilft im
Falle von seelischen Leiden nichts. "Die Grinser" nennen deshalb kritische Beobachter
die NLP-Szene und rügen die Methode als eine, die einzig auf der
"I-feel-good"-Autosuggestion beruhe und eine Verdrängungstaktik darstelle. Die Gründe
für psychische Probleme, Kommunikationsdefizite oder Persönlichkeitsstörungen
ließen sich mit NLP nicht entdecken oder beheben - allenfalls überdecken.
Doch zurück zum Schnupperkurs. Die Gruppe war mit dem Tag sehr zufrieden. Kleine
Übungen, Schaubilder und Anekdoten von Kursleiter Werner Krejny waren unterhaltsam
und interessant, und die meisten versprechen sich nun von einem NLP-Kurs neue
Impulse für ihre persönliche Entwicklung. Vor allem in beruflicher Hinsicht. Denn man
könnte ja später vielleicht selber mal Kurse für Leute anbieten, deren
Verständigungsprobleme man nur zu gut kennt.
Institut für Organisationsberatung und Supervision, Scharnhorststraße 27 / 29, 10115 Berlin, t 28 39 14 00, www.ios-berlin.de.
Quelle: Der Tagesspiegel, 27. Januar 2002, S. K1.