Pressespiegel
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Storytelling und Metaphern: Auch Manager brauchen Märchen
Von Norbert Philipp
Trainer und Coaches schlüpfen in die Rolle des Erzählers. Weil Seminarteilnehmer Anschaulichkeit schätzen - und Gehirne Geschichten und Bilder lieben.
Die sieben Zwerge, Jesus, Parzival, ein Unternehmen und ein neuer Deospray - jeder kann ein Held sein, solange jemand die passende Geschichte dazu erzählen kann. Sie helfen Religionen beim Bekehren, Werbern beim Verkaufen, Führungskräften beim Führen und Coaches beim Coachen. Denn sie liefern die Botschaft dort ab, wo sie hingehört und wirkt: direkt im Gehirn des Lesers, Hörers und Lernenden.
Weil die Welt vor den Türen der Trainingsinstitute komplexer wird, wächst in den Seminarräumen der Wunsch nach Anschaulichkeit. Geschichten malen bildhaft aus, was Fakten allein nicht sagen können. "Storytelling" heißt die Methode, die Menschen im Prinzip schon benutzen, seitdem sie sprechen. Von Trainern wurde sie neu entdeckt, um verknotete Knäuel von Zusammenhängen vor den Augen der Kursteilnehmer zu entwirren.
Gut erzählt, halb gewonnen
Das menschliche Gehirn liebt Geschichten. Darauf ist es programmiert. Abstrakte Worthülsen mit rationalem Kern muss es dagegen erst knacken und mühsam dechiffrieren. Schon Umberto Eco empfahl: "Wenn du etwas nicht erklären kannst, erzähl eine Geschichte." Und zu erklären gab es genug, schon tausende Jahre, bevor der Linguist und Autor seinen Rat formulierte. Die Mythologien erklärten so Tag und Nacht, Blitz und Donner, Flut und Ebbe. Und die Trainer zeigen ihren Kursteilnehmern heute, warum eine Gruppe noch lange kein Team sein muss.
"Geschichten sind auf der strukturellen und inhaltlichen Ebene ein wirkungsvolles Instrument", sagt Gabriela Konrad, Trainerin, Beraterin und Geschäftsführerin von "tiempo de". Sie bringt Führungskräften die Storytelling-Methode näher, aber auch jenen, die die Manager später trainieren sollen. Das Erste, was man mit Geschichten gewinnt, ist Aufmerksamkeit. Schon zu Beginn des Seminars kann eine Geschichte mehr erreichen als ein simples "Guten Morgen", so Konrad. Besonders wenn Thema und Uhrzeit noch schwer auf die Augenlider drücken.
Hauptsache Gefühle
Die Botschaften haben freie Bahn zum Menschen, wenn sie über Geschichten transportiert werden. Sie überwinden Ja-aber-Einwände und andere Barrieren mühelos. Vor allem, wenn nicht der Inhalt, sondern die Struktur der Erzählung die Botschaft trägt, meint Konrad. Auch Ewald Spießmayr, Trainer bei der Beratergruppe Arge Nexus sagt: "Geschichten werden leichter angenommen als direkte Anweisungen." Weil sie involvieren: "In der Sekunde lösen sie Verknüpfungen mit eigenen Erfahrungen aus", erklärt Konrad. Das Gehirn scannt dann automatisch den eigenen Erfahrungsspeicher. Ein Prozess, den der Fachjargon des NLP die "transderivationale Suche" nennt.
Geschichten können vor allem eines, was bloße Fakten nicht vermögen: Emotionen wecken. Im Gehirnarchiv warten unzählige Filme auf ihre Aktivierung. Und die Geschichten, die man hört, drücken auf "Play". Dabei werden alle Sinne abgerufen. Fast als würde man selbst schmecken, riechen, fühlen. "Dadurch ist der Merkeffekt viel größer", erklärt Konrad. Nur was man selbst erlebt hat, behält man besser. Die Gefühle ebnen den Informationen den Weg. "Wenn wir lachen genauso wie wenn wir betroffen sind." Dann muss man die Botschaft nur noch sanft fallen lassen. Und sie verankert sich fast wie von selbst. Mit nachhaltiger Wirkung. "Denn gute Geschichten arbeiten weiter", so Konrad. Lange über das Ende des Seminars hinaus.
Wer die Geschichten schreibt, die man benutzt, ist ganz egal. Viele Trainer blättern nicht in Märchenbüchern, sondern in ihrer eigenen Biografie. "Ich erzähle gern Geschichten aus meinem Leben, aus meinem Umfeld. Das ist einfach authentischer", sagt Konrad, "es geht dabei auch darum, etwas von sich selbst preiszugeben." Ein Prinzip, das auch die NLP-Methode nutzt. Schwäche zu zeigen schaffe Sympathie, so Konrad. Davon könnten auch Führungskräften profitieren. "Schließlich arbeiten Mitarbeiter nicht für Unternehmen, sondern für den Chef." Manchmal lässt man auch andere für sich sprechen und holt sich als Rückendeckung Churchill, Aristoteles und Konsorten in das Training: "Mit klugen Zitaten kann ich meine Botschaft noch verstärken", erklärt Konrad.
Wörter, die Bilder sind
Wahr müssen Geschichten nicht sein, damit sie funktionieren. Dass ein Gigant wie Atlas mit seinen Schultern das Himmelsgewölbe stützt, klingt sinnvoll, solange man es nicht besser weiß. Ähnlich gut erfunden sind viele Storys der Werbung, die selbst gern in den Fundus der Bibel und Mythologie greifen, um etwa das Remake von "David und Goliath" zu inszenieren. Microsoft ist dabei der Riese und Apple der Held.
Das kollektive Gedächtnis der Menschheit ist voll von Geschichten - und diese wiederum gespickt mit Metaphern, die in Trainings ähnlich funktionieren. "Viele charismatische Menschen beherrschen den Einsatz von Metaphern ganz intuitiv", sagt Konrad. Schon Jesus war darin ein Meister. "Er wusste schon, warum er diese bildhafte Sprache verwendete", meint Spießmayr. Viele Trainer verwenden Sprachbilder eher intuitiv als bewusst, stellte Spießmayr in seiner Masterthesis fest, die sich mit Metaphern im Training befasst (siehe unten). Ein mächtiges Instrument im didaktischen Werkzeugkasten, das man lernen muss, richtig zu bedienen. "Diese Verantwortung müssen sich die Trainer bewusst machen", meint Spießmayr, "denn die Arbeit mit Metaphern ist vor manipulativen Einflussfaktoren nicht gefeit".
Gezielter Einsatz
Die Wirkung der Bilder, die man beschwört, müsse man abschätzen, wie auch den geeigneten Zeitpunkt, sie einzusetzen und die ihre Auswahl. "Abgelutschte Bilder können auch kontraproduktiv wirken", warnt Spießmayr. Er selbst holt sich nicht nur Bilder in die Trainings, die er hält - sondern holt auch seine Teilnehmer in die Welt der Bilder. Dafür setzt er sie auch einmal ins Segelboot auf dem Attersee. Auf dem Wasser erlebt man, was Schiffsmetaphern wirklich bedeuten - und was es heißt, hart am Wind zu fahren, aber auch wie man genauso schnell segelt mit viel weniger Aufwand. Gerade der Bilderkatalog rund ums Schiff wird gern auf Organisationen übertragen. Da kann man einen Kurs einschlagen, Neues verankern und Altes über Bord werfen.
Quelle: Die Presse, 16. Januar 2010.