Pressespiegel
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NLP: Nachahmen statt Niederreden
Von vielen mit Begeisterung genutzt, von anderen misstrauisch beobachtet: Eine umstrittene Verhandlungsmethode hat sich im Businessalltag etabliert.
Wien. Der Gründer der Deutschen Bank, Georg von Siemens, hatte eine klare Vorstellung von erfolgreichen Verhandlungen: "Das Kunststück ist nicht, dass man mit dem Kopf durch die Wand rennt, sondern dass man mit den Augen die Türe findet." Auf welche Weise man seinem Gegenüber oder auch sich selbst die Augen öffnet, ist eine Frage der persönlichen Vorlieben und Neigungen.
Das Gehirn reagiert
Eine Methode, die Anpassungsfähigkeit für Verhandlungssituationen nutzt, ist das Neurolinguistische Programmieren, kurz NLP. Dieses psychologische Kommunikationsmodell hat sich aus Erkenntnissen der Gehirnforschung, der Sprachwissenschaft und der Kognitions- beziehungsweise Verhaltenswissenschaft entwickelt und sich trotz anhaltender Kritik mittlerweile im Businessalltag etabliert.
Im NLP werden Methoden wie "Pacing", "Ankern" oder "Reframing" genutzt, um die Kommunikation zu gestalten und voranzutreiben. Unter "Pacing" versteht man den Prozess des sich Angleichens, der Spiegelung des Kommunikationspartners. Seine verbalen und nonverbalen Aussagen werden imitiert, dadurch fühlt er sich verstanden und wertgeschätzt.
Beim "Ankern" wird ein Reiz mit einer Reaktion verknüpft, die dann später wieder abgerufen werden kann, sobald man erneut mit diesem Reiz konfrontiert wird. Das "Reframing" verändert den Blick auf bestimmte Sachverhalte: Wird ein Problem "reframt", also in einen neuen Rahmen gestellt, bekommt es eine neue Bedeutung und ermöglicht dadurch neue Reaktionen und Verhaltensweisen. Bei Verhandlungen lassen sich diese und andere Methoden auf drei Ebenen einsetzen, sagt Peter Schütz, Geschäftsführer des Österreichischen Trainingszentrums für NLP und NLPt: "Erstens kann man damit den eigenen Zustand vor und nach Verhandlungen managen. Zweitens lassen sich klare und systemisch verträgliche Haupt- und Nebenziele für sich und andere formulieren. Drittens unterstützt NLP dabei, beim Gegenüber und bei sich selbst die relevanten Muster zu erkennen und ethisch korrekt zu nutzen."
An den ethischen Standards der NLP-Anwender wird jedoch immer wieder gezweifelt. Weil NLP Menschen jenseits der Logik emotional zu erfassen und Bauchentscheidungen zu forcieren sucht, ist die Skepsis gegenüber diesem Modell seit Jahren anhaltend groß. Rene Otto Knor, Gründer der NLP-Akademie, gibt zu, dass sich dieser Ruf "nur marginal verändert. Man muss auch ganz klar sagen, dass NLP manipulativ ist. Aber es kommt immer darauf an, wie man diese Methode anwendet. Mit einem Messer kann man Brot schneiden oder jemanden verletzen. Wir wollen das ethische Bewusstsein fürs Brotschneiden schaffen."
Eindeutige Botschaften
Gabriele Riedl, Geschäftsführerin von Trilog Training, bietet selbst NLP-Seminare an: "Im Verkaufskontext wird von Trainern sehr oft die unethische Variante vermittelt und suggeriert, sie könnten andere beeinflussen, wie sie wollen." Deshalb ist es ihrer Ansicht nach wichtig, beobachtete Muster nicht unkritisch zu übernehmen, sondern sie "ökonomisch" in die eigenen Persönlichkeit zu integrieren. "‚Kongruenz‘, also die Übereinstimmung von verbaler und nonverbaler Aussage, und Authentizität heißen dabei die Zauberworte im NLP, vor allem im Verkaufs- und Verhandlungskontext."
"Der Siegergedanke weicht zunehmend der Einstellung, dass alle Gewinner sein müssen", sagt Knor. Dass soziale Verantwortlichkeit und systemisches Denken im Umgang zwischen Verhandlungspartnern vorhanden sein müssen, bestätigt auch Schütz – Teil der Methode sind sie nicht, betont Clemens Widhalm, Geschäftsführer von Dale Carnegie Training in Österreich. Carnegies Verhandlungstechnik scheint auf den ersten Blick einige Gemeinsamkeiten mit NLP aufzuweisen, da auch sie das Verhalten von Verhandlungspartnern systematisch untersucht: "Doch während NLP eine wertneutrale Methode darstellt, ist für Carnegie eine wertschätzende Grundhaltung die Voraussetzung für erfolgreiche Kommunikation."
Quelle: Die Presse, 14. März 2009.