Pressespiegel
--
Neuro-Leadership für Dummys
Von Andrea Lehky (Die Presse)
Führung. Warum in unserem Kopf zwei Mannschaften gegeneinander kämpfen, warum wir manchmal unseren Verstand austricksen müssen und was das alles mit NLP zu tun hat.
Stellen Sie sich Ihr Gehirn wie ein Eishockeyspiel vor. Darin kämpfen zwei Mannschaften um den Puck, den immer nur eine besitzen kann. Die erste Mannschaft ist das Begeisterungssystem. Es wird angesprochen, wenn man einen Erfolg erwartet (nur noch zwei Aufträge und das Umsatzziel ist erreicht) oder wenn etwas besser kommt als erhofft (spontanes Lob vom Chef). Dann schüttet das Gehirn den Botenstoff Dopamin aus, der Antrieb, Motivation und Begeisterung bewirkt. Je mehr Dopamin, desto neugieriger und veränderungsbereiter ist man; je weniger, desto ängstlicher und sicherheitsorientierter.
Die zweite Mannschaft ist das Stresssystem. Es reagiert auf (echte oder eingebildete) Gefahren, indem es die Hormone Cortisol und Adrenalin ausschüttet. Punktueller und überschaubarer Stress steigert die Leistung, zu viel und lang andauernder macht krank.
Der Schiedsrichter in diesem cerebralen Eishockeyspiel ist der präfrontale Cortex, der vordere Bereich der Großhirnrinde. Grob vereinfacht steht er für den menschlichen Verstand. Er hält Impulse zurück, ermöglicht zukunftsgerichtetes Planen und steuert den Arbeitsspeicher. Der Verstand hält das Begeisterungssystem im Zaum (die versprochene Beförderung nicht überall herumerzählen), ebenso wie das Stresssystem (durchatmen statt losbrüllen).
Aus diesem Eishockeyszenario entwarfen die deutschen Autoren Arne Prieß, HR-Berater mit Siemens-Vergangenheit, und Sebastian Spörer, Betriebswirt mit Psycho-Neuro-Sozio-Endokrino-Immunologie-Hintergrund, ein Handbuch für Führungskräfte, die wissen wollen, was es mit Neuro-Leadership auf sich hat. Darin finden sich allerhand Kochrezepte, wie Manager das Eishockeyspiel in den Köpfen ihrer Mitarbeiter zu ihren Gunsten ein- und umsetzen können.
Das erinnert gewaltig an NLP (Neurolinguistisches Programmieren) und wäre vor zehn Jahren auch in dieser Ecke eingeordnet worden. Da NLP aber der Geruch des Manipulativen anhaftet und überdies seine Techniken (unter anderem Namen) schon im Schulunterricht gelehrt werden, verwendet man heute lieber den Begriff Neuro-Leadership.
Recruiting nach dem Dopaminpegel: Wie motiviert sind Sie eigentlich?
Vorgesetzte suchen begeisterungsfähige Mitarbeiter. Da sich das schlecht direkt abfragen lässt (Denken Sie eigentlich positiv?), empfehlen sich unverdächtige indirekte Varianten (Hat Ihnen Ihr letzter Job Spaß gemacht?). Schimpft der Bewerber los, ist sein Dopaminspiegel wohl nicht der höchste. Sein Begeisterungssystem sollte übrigens schon anspringen, wenn ihm eine bessere Führungskraft als diejenige, die er zuletzt hatte, in Aussicht gestellt wird.
Ausgegrenzt zu sein tut weh: Von Bonding und Teambuilding
Soziale Schmerzen sind mit körperlichen vergleichbar. Ein Neuling entfaltet sein Leistungspotenzial erst, wenn sein Gehirn im Zugehörigkeitsmodus arbeitet. Daher lohnen sich Vorstellungsrunden und Einstandsfeiern, weil sie das Andocken (Bonding) ermöglichen. Ebenso kann eine Arbeitsgruppe nicht auf die Sachebene geführt werden, bevor sie sich als Einheit empfindet. Das erklärt den Erfolg von Teambuildingsübungen zu Beginn eines Meetings, selbst wenn diese als unnötig empfunden werden. Soziale Schmerzen sind auch der Grund, warum zu Meetings Nichtgeladene verärgert sind, selbst wenn sie gar nicht daran teilnehmen wollten.
Dopamin und Adrenalin: Führen mit Zuckerbrot und Peitsche
Im Vergleich zu abgeklärten Chefs haben optimistische tatsächlich die motivierteren Leute. In Erwartung ihrer sozialen Belohnung arbeiten sie zügig das Projekt ab. Emotionale Aufmerksamkeit bewirkt übrigens mehr als monetäre, die nur kurz wirkt. Umgekehrt adressiert Peitschenknallen das Stresssystem der Mannschaft und bewirkt penibel genaues und detailfokussiertes Arbeiten. Das funktioniert auch bei der Selbstmotivation: Wer konstruktiv arbeiten will, male sich die Belohnung aus (Dopamin), wer fehlerfrei arbeiten muss, die negativen Konsequenzen (Adrenalin). Kreative Leistungen sind unter Druck allerdings nicht zu erwarten.
Verstand schlägt Kreativität: Wie man sein Gehirn ausschaltet
Der größte Unterdrücker von Kreativität ist jedoch der kontrollierende Verstand. Daher sind Brainstormings nur sinnvoll, wenn das Betriebsklima „freies Spinnen“ erlaubt. Will man kreative Ideen, muss der Verstand ausgeschaltet und das Unbewusste eingeschaltet werden. Am besten setzt man ihm eine Frist (z. B.: Morgen früh weiß ich die Lösung) und lenkt den Verstand ab. Das ist der Grund, warum beim Laufen plötzlich so viele gute Ideen auftauchen. Auch Visualisieren hilft, weil es Verknüpfungen im Gehirn aktiviert.
Wer Mitarbeitern kündigt, braucht nachher selbst eine Pause
Auch wenn er nicht selbst den Job verliert, ist das Stresssystem eines (einigermaßen empathischen) Vorgesetzten nach einer Kündigung genauso aktiv wie das des Gekündigten. Wegen der sozialen Schmerzen braucht auch der Chef nachher eine Erholungspause.
Quelle: Die Presse, Online: 18.04.2014 | 09:27