Pressespiegel
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Interview
Kann Antwort nicht herausprügeln
STANDARD: Sie haben quasi den schwarzen Gürtel in NLP, Neurolinguistisches Programmieren. Ich habe davon vor allem als Instrument von Politikern, oft rechten, gehört, auch um möglichst nicht auf Interviewfragen zu antworten. Worauf müssen wir uns bei diesem Gespräch einstellen?
Saringer: Zu all diesen Vorurteilen möchte ich gar nichts sagen. Ich habe diese Ausbildung im Rahmen meiner Psychotherapieausbildung gemacht. Das ist ein wunderbares Instrument für die Kommunikation. Ich kann besser beobachten, welche Muster laufen bei meinem Gesprächspartner ab, sprachlich oder physiologisch. Ich würde es nicht verwenden, um in irgendeiner Form zu manipulieren.
STANDARD: Das wollten wir auch gar nicht unterstellen.
Saringer: Beim Beispiel FPÖ und NLP taucht das Thema Manipulation gerne auf. Ich halte das für Schwachsinn. Ich verwende das für Coachinggespräche.
STANDARD: Hilft eine NLP-Ausbildung für TV-Diskussionen?
Saringer: Es schult die Wahrnehmung. Natürlich hilft es, wenn man aufmerksamer auf sein Gegenüber achtet.
STANDARD: Sind Sie damit besser gewappnet für Politiker, die Fragen gar nicht beantworten wollen?
Saringer: Sagen wir: Ich bin aufmerksamer. Bei "Am Punkt" ist es genau meine Aufgabe, unsere drei, vier, fünf Gäste mit den Fragen von Zuschauern zu konfrontieren. Und ich sorge dafür, dass diese Fragen von Herrn und Frau Österreicher auch beantwortet werden.
STANDARD: Wenn Armin Wolf oder Gabi Waldner konsequent nachfragen, sieht das ein Gutteil seines Publikums, jedenfalls nach Reaktionen zu schließen, als Unhöflichkeit. Sie hoffen einfach, dass Ihr Publikum nicht auf die Idee kommt, weil es jünger als jenes des ORF ist?
Saringer: Wenn der Zuschauer selbst die Frage formuliert hat, würde mich wundern, wenn ihn nervt, dass ich dafür sorge, dass er seine Antwort bekommt.
STANDARD: Wie oft fragen Sie nach?
Saringer: Das entscheide ich von Fall zu Fall. Selbstverständlich kann auch ich die Antwort aus einem Politiker oder auch Experten nicht herausprügeln.
STANDARD: Wann war eine Sendung eine gute Sendung, abgesehen davon, dass möglichst viele zusehen?
Saringer: Wenn alle Fragen der Zuschauer und meine beantwortet sind. Wenn Klartext geredet wurde, keine Politikerphrasen, faulen Ausreden, kein Fachchinesisch.
STANDARD: Reicht eine TV-Livedebatte nicht als Herausforderung? Muss es noch Interaktion mit dem Publikum in der Sendung sein?
Saringer: Natürlich ist das eine zusätzliche Herausforderung. Aber es bringt auch eine ganz andere Dynamik in die Sendung. Das passt für eine sehr junge Zielgruppe, die gewohnt ist, aktiv zu kommunizieren und diskutieren.
STANDARD: Wie gefallen Ihnen denn die "Sommergespräche" im ORF? Sind ja auch Gesprächsformate.
Saringer: Ich verstehe das Konzept dahinter nicht ganz. Es wirkt elitär. Warum auf Festspielbühnen? Warum ein Künstler als Sprachrohr? Jedenfalls unterscheidet sich der Zugang völlig von unserem.
STANDARD: Dient die Psychotherapieausbildung der Vorbereitung auf die TV-Diskussionsleitung?
Saringer: Das ist sicher hilfreich. Auch wenn das nicht mein Ziel war. Das hat sich - aus Interesse an der Kommunikation - aus Seminaren ergeben.
STANDARD: Sie haben mir erzählt, Sie haben in Ihrer Diplomarbeit über den Fall Waldheim als Medienereignis untersucht, ob die Österreicherinnen und Österreicher aus dieser Präsidentschaftswahl etwas gelernt haben, und das umgelegt auf die Wende zu Schwarz-Blau anno 2000. Das Ergebnis?
Saringer: Auf eine knappe Formel gebracht: Mir san mir.
STANDARD: Mit diesem Mir-san-Mir-Publikum bestreiten Sie ab Mitte September ihr Diskussionsformat.
Saringer: Im besten Sinne: Offensichtlich bildet sich jeder seine eigene Meinung und lässt sie sich nicht diktieren. Das schlägt sich hoffentlich in guten Fragen für "Am Punkt" nieder.
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Zur Person: Saringer (38), Magistra der Publizistik und Politikwissenschaft, begann bei Privatradios, moderierte ein ATV-Boulevardmagazin, leitete eine Interviewsendung bei Premiere. Seit Juli 2005 Redakteurin und Anchorwoman von "ATV Aktuell". Leitete "ATV Dokument"-Debatten, "ATV - Meine Wahl". In "Am Punkt" diskutieren drei bis fünf Menschen stehend. Fragen kommen per Web vom Publikum. Experten analysieren die Debatte.
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Quelle: DER STANDARD, 19. August 2009.