Pressespiegel
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Die Veränderung birgt viel Kraft
Das einzig Sichere ist die Veränderung. Doch ein neuer Weg birgt Unsicherheit. Weil vielen Menschen zudem das Werkzeug fehlt, alte Muster zu durchbrechen, bleiben sie frustriert stehen. Eine Salzburger Therapeutin liefert Bausteine zur Veränderung. FRITZ PESSL
Jeder Mensch macht in seinem Leben dann und wann Phasen durch, in denen er nicht mehr weiterweiß. Die scheinbar un- überwindbare Hürde führt zu Ratlosigkeit, Grübeln und Niedergeschlagenheit. Beispiele für diese "Durchhänger" finden sich in allen Lebensbereichen: Hatte man zunächst geglaubt, mit der permanenten Unpünktlichkeit des Partners ganz gut umgehen zu können, so wird diese Eigenschaft im Laufe der Zeit als unerträglich empfunden.
Ein anderer kämpft vergeblich gegen den inneren Widerstand an, dass der Partner Abmachungen prinzipiell ignoriert und in seiner Intoleranz immer wieder in der Wohnung raucht. Männer wie Frauen verbringen oft Jahre mit Arbeit, die sie frustriert, demotiviert und Kraft kostet. Sie vertrösten sich damit, dass sich Unlust und Lebensfrust irgendwann schon von selbst auflösen werden oder sie schütten ihr Herz bei Freunden aus - sie weinen und wehklagen, ohne damit ihre Lebenssituation zu verändern, geschweige denn nachhaltig zu verbessern. Dafür fehlen Mut, Kraft und das Werkzeug, denn die meisten Menschen leben wie Gefangene in ihren Mustern und Systemen.
Das Unbewusste steuertDenken und Fühlen "Bausteine der Veränderung" lautet der Titel des neuesten Werkes der Salzburger Psychotherapeutin Brigitte Gross. Worum es in dem Buch geht? "Das Einzige, was als sicher gilt, ist die Veränderung. Nur wer sich ändert, bleibt sich treu", beschreibt Frau Gross. Und weiter: "Die Fähigkeit zur Veränderung und mit Veränderung konstruktiv umgehen zu können, ist eine der wertvollsten Fähigkeiten, die es zu erlangen und stetig zu verbessern gilt."
Probleme lösen zu können, sich Ziele zu stecken und zu erreichen, ist in allen Lebensbereichen wichtig. Weil aber das Unbewusste unser Denken, Fühlen und Handeln stark steuert, werden logisch völlig klare und eindeutige Schritte oft unterlassen. Brigitte Gross versucht durch eine Verknüpfung der Methoden des Neuro-Linguistischen Programmierens (NLP) und der systemischen Aufstellungsarbeit, das unbewusst Wirkende anschaulich bewusst zu machen sowie komplexe Zusammenhänge und Wechselwirkungen auf einfache Weise abzubilden. Zur Darstellung der Prozesse werden Bausteine verwendet. "Durch die Bausteine wird als erster Schritt das innere Bild vom Problem des Fragenden nach außen gestellt und dadurch sichtbar gemacht. Diese Veranschaulichung eröffnet eine völlig neue Dimension des Verstehens", sagt die Psychotherapeutin. Der nächste Schritt ist das "Sichhineinversetzen" in die eigene Person wie auch in die anderen Personen des Systems. Unbewusstes wird bewusst gemacht.
Ein Beispiel: Die 28-jährige Klientin Angela P. leidet an einem Gewissenskonflikt zwischen Mutterrolle, Beruf und Hobby. Sie liebt ihre Arbeit, die Tanztherapie, ihr Hobby, das Singen und natürlich ihre 20 Monate alte Tochter. Da die Klientin drei Tage in der Woche nicht zu Hause ist, wird sie von einem schlechten Gewissen geplagt. Ihr Ziel ist herauszufinden, ob Arbeit und Hobby reduziert werden müssen oder das schlechte Gewissen unbegründet ist. Bei der Bausteinarbeit stellt sich heraus, dass Frau P., ihr Ehegatte, ihre Tochter sowie Oma und Opa mit der Situation durchaus zufrieden sind. Das schlechte Gewissen hat sie von ihrer besten Freundin übernommen, die selbst zwei Kinder hat und fest davon überzeugt ist, dass eine arbeitende Mutter keine gute Mutter sein kann. Nach der gemachten Erfahrung wandelte sich das schlechte Gewissen bei Frau P. in Freude und Optimismus. Leute sehen in ihrem Unglück keine Lösungen Dazu meint Frau Gross: Die meisten Menschen gehen davon aus, dass wir alle vom gleichen Gewissen gesteuert sind, was leider zu vielen Missverständnissen und Verletzungen führt. Primär wird das Gewissen in der Familie geprägt, später auch durch andere Menschen und Gruppen, von deren Werten beziehungsweise von dem, was dort erlaubt oder verboten ist und das ist naturgemäß unterschiedlich.
Die Bausteinmethode ist vielseitig verwendbar. Sie kann eingesetzt werden, um festgefahrene Situationen in ihren Zusammenhängen zu erkennen und Lösungen zu finden, Hindernisse zu erkennen und zu bewältigen, neue Perspektiven zu entwickeln oder Ziele zu definieren und Strategien zu ihrer Erreichung zu erarbeiten. Weitere Effekte sind, dass die Klienten ihre Wahrnehmungsfähigkeit verbessern, ihre Sensibilität und Achtsamkeit im privaten und beruflichen Bereich steigern. Durch das Verständnis für Systemdynamiken werden komplexe Zusammenhänge und Lösungswege auch in der Zukunft klarer erkannt. "Sich in eine andere Person und deren Rolle hineinversetzen zu können, ist eine wichtige Fähigkeit der sozialen Kompetenz, daher auch besonders bedeutender Bestandteil der Veränderung", sagt Frau Gross.
Die gängige Art der Auseinandersetzung mit Schwierigkeiten ist problemorientiert, was einen Lösungsansatz unmöglich macht. Was ist mein Problem? Was stimmt nicht? Warum habe ich dieses Problem? Wer ist schuld, dass ich es habe? Wie sehr kränkt es mich? Alle diese Fragen sind problemorientiert und führen zur Erfahrung von Eingeschränktheit und mangelnden Wahlmöglichkeiten. Sie erfordern Erklärungen, Entschuldigungen und Rechtfertigungen, weshalb Menschen nicht haben oder tun können, was sie wollen.
Mit der Bausteinmethode werden hingegen Ressourcen und positiv formulierte Ziele genau erarbeitet. Was genau will ich? Wann, wo und mit wem will ich das Ziel erreichen? Woran werde ich erkennen, dass ich das Ziel erreicht habe? Was tut es Gutes für mich, dieses Ziel zu erreichen? Was (Ressourcen) steht mir bereits zur Verfügung, was mir dabei hilft und was brauche ich noch? Welchen ersten Schritt setze ich nun, um das zu bekommen, was ich will?
Das Problem hat gute Seiten und bietet Schutz "Im Gegensatz zum Problemrahmen ist das Zielmodell auf die Zukunft und auf die Ressourcen gerichtet und bewirkt, dass sich die Menschen in der Regel motiviert, handlungs- und leistungsfähig fühlen", erzählt Brigitte Gross. Um eine dauerhafte Veränderung zu erreichen, sollte das Ziel so formuliert und gestaltet werden, dass es sich in die Gesamtlebensplanung gut einfügt und seine Attraktivität sichergestellt ist.
Eine ganz wichtige Rolle im Leben jedes Menschen spielen Sicherheit und Stabilität. Deshalb gilt es bei der Bausteinarbeit immer auch herauszufinden, was das Gute an der momentanen Situation ist. Denn in fast allen Fällen hat das Problem, das man verändern möchte, eine gute und zumeist sogar Schutz gebende Seite. Gerade das Gute - und mag es noch so klein sein - bindet den Menschen noch an das Problem. "Das haben wir uns meist nicht bewusst gemacht, weil wir das ,Negative‘ daran oder das, was wir davon nicht mehr wollen, mehr im Auge haben. Insofern ist es sehr wichtig, dieses Gute zu erkennen, um dann sicherzustellen, dass es im Ziel vorhanden ist, wenn auch manchmal in transformierter Form", sagt Frau Gross.
Quelle: Salzburger Nachrichten vom 7. Januar 2006.