Pressespiegel
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Die Bewerber mit NLP durchleuchten
Von Stefan Mey
Mit den richtigen Fragen ist es möglich, den Charakter eines Bewerbers zu erkennen - so erhält er den für ihn passenden Arbeitsplatz. Eine Reportage aus der NLP-Welt.
In der Redaktion rief das Seminar zum "Acht-Minuten-Personalinterview" im Vorfeld Zyniker auf den Plan: Denn schließlich dauert das Seminar zwei volle Tage von 9 bis 22 Uhr, am Einführungsabend von 17 bis 22 Uhr und am vierten Tag nochmal bis in den Nachmittag - wie viele Personalgespräche, so die Kritik, müssen dann geführt werden, damit sich der zeitliche Aufwand amortisiert?
Ginge es nur nach dem zeitlichen Aufwand, wäre das Ergebnis tatsächlich nicht so berauschend: Beim Test der vorgestellten Methode vor laufender Kamera brauche ich gut zehn Minuten statt der versprochenen acht - andere der insgesamt sechs Teilnehmer brauchen eine Viertelstunde, bis sie die Fragen durchgearbeitet haben. "Am Anfang ist es immer schwierig", beruhigt Seminarleiter Peter Schütz. "Das kommt mit der Übung."
Doch tatsächlich geht es hier gar nicht um Zeitersparnis. Sondern darum, mit Hilfe von neurolinguistischer Programmierung (NLP) Eigenschaften des Gesprächspartners zu identifizieren. Der Nutzen daraus: Personalisten können Bewerber an die passenden Arbeitsplätze setzen; und Verkäufer wissen, mit welcher Wortwahl sie potenzielle Käufer überzeugen. "Es müssen beide Ohren geöffnet werden", erklärt Schütz. Mit einem wird auf den Inhalt gehört, das andere achtet auf Wortwahl und Sprechweise. "Es geht um den linguistischen Teil des NLP", sagt er.
Zwischen den Zeilen
Die Fragen in Schütz' Fragebogen ermöglichen eine Diagnose über die Charaktereigenschaften, woraus sich Handlunsgmöglichkeiten für Management, Personaleinsatz oder Verkauf und Marketing ergeben.
Ein Beispiel ist das Muster, ob eine Person die Initiative ergreift oder ob sie auf andere wartet - die Extreme dieser Kategorie heißen "proaktiv" und "reaktiv"; Erstgenannter ergreift selbst die Initiative, der Reaktive wartet auf andere. Auf die unschuldige Frage "Was erwarten Sie im Beruf?" antworten die beiden Typen unterschiedlich: Der Proaktive mit kurzen Sätzen, die aus einem Subjekt, einem aktiven Verb und einem konkreten Objekt bestehen; der Reaktive hingegen verwendet lange, verschachtelte Sätze und passive Verben oder Infinitive.
Die Erkenntnis für die Personalisten daraus: Da proaktive Menschen eher initiieren, haben sie wenig Geduld für bürokratische Verzögerungen und kommen üblicherwei se mit ihrer Arbeit rasch voran; am besten sind sie also dort eingesetzt, wo sie nicht auf andere angewiesen sind. Reaktive hingegen arbeiten besser, wenn andere sie führen.
Auf ähnliche Art wird festgestellt, ob eine Person lieber auf ein Ziel hinstrebt oder sich von einer Situation wegbewegt. Und ob ein Mensch sich mehr durch interne Orientierung eigene Motivation schafft oder besser durch andere motiviert wird. Oder ob ein Mensch sich mehr durch Visuelles, Auditives oder Handlungen überzeugen lässt - sagt ein Kunde, er habe sich auch andere Produkte "angesehen", weiß der Verkäufer, dass der visuelle Typ entsprechend überzeugt wird.
Um dieses System durchführen zu können, ist viel Übung nötig, ebenso diverses Feintuning. Gut ausgereift, kann es bestehende Personalgespräche aber wohl gut ergänzen - damit in Zukunft jeder am richtigen Arbeitsplatz arbeitet.
Quelle: Wirtschaftsblatt, 04.02.2011 00:36 Uhr