Autor | Thema: Emotionen |
Claus David |
Beitrag vom 10-03-00 11:59
Dieser Thread beginnt mit einer Antwort auf den Beitrag von Monika Fürch aus dem EMDR-Thread.
Vorweg schicken möchte ich, dass ich mehrere Ausbildungen in an Wilhem Reich orientierten Therapien, besonders die Biodynamische von Gerda Boyesen und Bioenergetik anch Lowen, absolviert habe und mehrere Jahre Selbsterfahrungsgruppen mit emotionalem Ausdruck der heftigeren Art geleitet habe.
Im NLP weiß ich nur, dass in der Arbeit von Leslie Cameron emotionaler Ausdruck gefördert wurde.
Monika schrieb: Hallo CDG, "Umgang mit Emotionen und Abreaktionen " Das setzt ein ganz bestimmtes Modell von Emotionen vorraus. Als wären sie ein etwas, das man hat und von dem man unangenehm viel haben kann. Diese Zuviel wird weniger, wenn man etwas tut. Emotionen hat jeder fortwährend in unterschiedlicher Intensität. Bei den meisten Menschen der westlichen Kultur strebt die Intensität gegen Null. Der Preis ist, dass die positiven Emotionen auch nur reduziert erlebt werden. Man kann unangenehm zuviel haben von Wut, Angst, Trauer, Abscheu, Scham, Schuld und es ist dann wichtig, dass die Ausdruckskanäle offen sind (Augen, Stimme, Motorik), um die emotionale Energie herauslassen zu können. Oder wenn das nicht möglich ist: Sanft integrierende Techniken wie die Psychokinesiologie. Stärkere Emotionen, die nicht integriert werden, werden in den Darmwänden gelagert und können jederzeit "hochkommen" oder "ausbrechen". Ich bezweifle sehr, dass Arbeit mit dem Mentalkörper ala NLP oder Kognitiver Therapie langfristigen Erfolg haben kann, bevor der Emotionale Körper gereinigt, geheilt, ganzheitlicht ist.
Monika: Die folgenden Gedanken sind unausgegoren, Einfälle, Fragen halt:
Die Idee, sich abzureagieren, gefällt besonders jungen Leuten. Ist das Modell des Gefühls(über)Flusses/GefühlsStau womöglich aus der jugendlichen Kräftelage entstanden und entspricht ihr auch mehr als (mittel)alten Menschen?
Da ist zwar was dran, ich würde aber sagen, dass wir nur zunehmend der Selbstunterdrückung klein bei geben und dieses rationalisieren und Ersatzfreude in Kognition suchen. "Emotionale Abreaktion" ist ein technischer Ausdruck für quasi automatisches Entladen stärkerer, gestauter Emotionen per Schreien, Schlagen, etc. Das Abreagieren Jugendlicher geschieht durchaus mit demselben selbsttherapeutischen Hintergrund und sollte evtl. kanalisiert möglich sein, z.B. Oshos Dynamische Meditation in den Schulen.
Ich mache manchmal ein Gedankenexperiment und stelle mir vor, die Emotionen seien etwas, wie Wasser oder Wind oder so - außerhalb von mir. Ich habe auch noch nichts gefunden, was dieses Modell unpassend macht.
Ich denke, es ist umgekehrt: Die Emotion ist, was wir wirklich sind. Die Gedanken sind Wind.
Und last and least, bloß weil ich es mir nicht verkneifen kann: Der Emotionstheoretiker, den ich von Lesen her am besten kenne, ist Wilhelm Reich. Sein persönliches Leben (und das seiner Lieben) scheint seine EmotionsTheorie nicht geglättet zu haben. Als gravierendstes fällt mir dazu nicht die Biographie seines Sohnes ein, sondern daß er einen Herzinfarkt bekommt, einige Tage bevor er aus einer als ungerecht empfundenen Haft entlassen wird.
Wilhelm Reichs Leben ist eine tragische Geschichte für sich. Er ist vor den Nazis geflohen, um von den US-Faschos dafür ins Gefängnis zu kommen, dass er die Orgonakkumulatoren weiterbaute und war sicher etwas manisch. Die Reichianer, die ich kennengelernt habe, waren oft auch nicht ganz entspannt, "overprovoked" ist der Terminus. Mit etwas NLP wäre das ein durchaus guter Ansatz.
Neben der Psychokinesiologie bietet übrigens die "Time-Line-Therapy"™ nach Tad James einige hervorragende Ansätze zur sanften Entladung emotionaler Energie.
Die führenden Emotionstheoretiker (Ledoux, Baars, Damasio, Panksepp, Plutchnik etc.) sind übringens der Meinung, dass es ohne Emotion kein Bewusstsein gäbe. Zumindest gibt es ohne Angst keine Liebe. |
| Antworten |
oskopia |
Beitrag vom 10-03-00 13:22
"Zumindest gibt es ohne Angst keine Liebe." Where do you know from? Theory or praxis? Und wenn Theorie: Wer und ISBN? :-)
|
oskopia |
Beitrag vom 10-03-00 15:14
Lieber Claus David Ich finde es schön, daß du das Thema hier aufgreifst. Ich habe so den Eindruck, daß es eine gap ist, die du zwischen NLP und erlebter Wirklichkeit siehst. Ich kann natürlich in Punkto NLP fast gar nicht mitreden, aber in Punkto Emotion lasse ich mich jetzt mal nicht von deiner oben konstatierten Facherfahrung schrecken, sondern vertraue auf meine gelebte Erfahrung. (Theorien dienen uns ja oft genug dazu, unsere Landkarten zu zementieren. btw - wieviel Veränderung verträgt der Mensch?) Ich kennzeichne deine Zitate im folgenden nur durch kursive Schrift.
Emotionen hat jeder fortwährend in unterschiedlicher Intensität. Wir sagen, wir haben sie. Es gab auch Zeiten, da wurde gesagt, sie haben uns. Es gab möglicherweise auch Zeiten, da wurde gesagt, wir sind in ihnen, in sie eingetaucht, schwimmen in ihnen.
Bei den meisten Menschen der westlichen Kultur strebt die Intensität gegen Null. Joi. Doch dann frage ich mich, vielleicht strebt nur der Ausdruck gegen Null. Ich glaub's nicht, aber wie darf ich das beurteilen. Ausserdem interessieren mich nicht 'die meisten Menschen', sondern nur die, die da sind. Und bei denen ist es, wunderbarerweise, hinreichend weit entfernt von Null, was sie mir an emotionalem Austausch bieten. (Und sonst sorg ich halt dafür *g*.)
Der Preis ist, dass die positiven Emotionen auch nur reduziert erlebt werden. Auch da unterscheide ich zwischen mir und anderen. Das nur nebenbei. Aber: reduziert erlebt - genau das isses. Das setzt voraus es gibt eine Art Normbereich an Quantität innerhalb dessen Gefühle erlebt werden sollten.
Man kann unangenehm zuviel haben von Wut, Angst, Trauer, Abscheu, Scham, Schuld Nee - kann man nicht. Nicht zum Beispiel, wenn man darin schwimmt. Nur wenn man sie als Energie modelliert.
und es ist dann wichtig, dass die Ausdruckskanäle offen sind (Augen, Stimme, Motorik), Danke, das immer mal wieder zu hören/lesen ist gut.
um die emotionale Energie herauslassen zu können. Nö. Ich will damit nicht bestreiten, daß das 'hilft', 'ändert', sondern nur einfach mal, daß die Energie im Körper 'gefangen' ist.
... Stärkere Emotionen, die nicht integriert werden, werden in den Darmwänden gelagert Woher weißt du das?
Ich bezweifle sehr, dass Arbeit mit dem Mentalkörper ala NLP oder Kognitiver Therapie langfristigen Erfolg haben kann, bevor der Emotionale Körper gereinigt, geheilt, ganzheitlicht ist. Hm, ich glaube, das ist eigentlich dein Thema, und ich befürchte ein bißchen, mit meiner Antwort mache ich dir den Thread kaputt. Dann schmeiß sie raus, wär ok.
... ich würde aber sagen, dass wir nur zunehmend der Selbstunterdrückung klein bei geben und dieses rationalisieren und Ersatzfreude in Kognition suchen. Spontanes Ja von meiner Seite - aber es stimmt nicht. Übrigens, Freude ist auch eine Emotion? Und zu mancher Stund begeistert mich nichts mehr als ein Gedanke. Warum stimmt es nicht? Ich bin nicht der Meinung, daß du für 'uns' sprechen kannst, du kannst nur für dich sprechen. Und zu einem Gegenüber evtl, das du gerade mal weniger kognitiv erfreut wünschest.
"Emotionale Abreaktion" ist ein technischer Ausdruck für quasi automatisches Entladen stärkerer, gestauter Emotionen per Schreien, Schlagen, etc. Ich bezweifle nicht, daß nach so einer Aktion in einer EncounterGruppe im allgemeinen was definitiv anders, ja sogar besser war im Leben des Akteurs. Deswegen muß das Modell dennoch nicht stimmen. Er hat kräftig agiert, Stuhl angeschrieen und Kissen gehaut, und danach konnte er Mama anlächeln und mußte bei Hausarbeitsdifferenzen mit Freundin nicht mehr meutern. Aber hat er das dadurch erreicht, daß er sich festgehaltener Energien entledigt hat? Das glaube ich nicht. Da wäre ich aber bereit, aufgrund von deiner, anderer Leute Erfahrung noch mal drüber nachzudenken.
Ich denke, es ist umgekehrt: Die Emotion ist, was wir wirklich sind. Die Gedanken sind Wind. Die Gedanken sind natürlich genauso Wind. Eine Zeit zu surfen mit emotionalen Wind. Eine Zeit zu schwimmen im Gedankensee.
Die führenden Emotionstheoretiker (Ledoux, Baars, Damasio, Panksepp, Plutchnik etc.) es gibt, so scheint's noch genug Gedankenwind zu lesen für mich. Danke für die Namen.
sind übringens der Meinung, dass es ohne Emotion kein Bewusstsein gäbe. Ja, das bezweifle ich nicht. Obwohl ... was ... Daß es dann kein Bewusstsein gäbe? Das war doch vor allem? Und was ist mit Qualia? Ertrinke ich gerade im Begriffswirrwarr?
Zumindest gibt es ohne Angst keine Liebe. Das kann doch einfach nicht wahr sein? Eine Provo? Und was ist das, wenn ich einen bestimmten Himmel erlebe oder ein Gedicht oder einen Menschen oder eine Musik und ich fühle mich so, als wäre alles genau richtig und noch viel besser? Das ist mein Idealbild von Liebe und das hat überhaupt nichts mit Angst zu tun.
KClaus, wie unschwer zu merken interessieren mich Emotionen sehr, auch theoretisch. Wahrscheinlich passt dieser Beitrag dennoch nicht ins MDB der DBK des NLP - dann verbuddeln wir ihn alt 50 Jahre wie hinter den Mauern von Orgonon. Ingeborg kann ich das schon erklären.
|
Claus David |
Beitrag vom 11-03-00 11:42
Hi Monika, zur Dichotomie und gegenseitigen Bedingtheit stehtetwas in Boadella (Editor): In the Wake of Reich ISBN: 0904575586, ich glaube von Kelley. Das Prinzip ist aber auch in der esoterischen Praxis bekannt. Aus meiner eigenen Erfahrung mit extremen Emotionen: Sobald die negative Emotion voll zugelassen wird, schlägt sie in eine andere um, Angst wird zu Liebe, Trauer zu Freude, Wut zu Mitgefühl. Das ist eventuell nicht so schematisch und es ist vollkommen unerforscht, weil alle Psycho-Forscher Angst vor ihrer Angst und vor dem Schmerz haben, ist ja normal.
Die Forschung zu: Emotionen werden in der Darmwand verdaut oder gebunden sind in der Nachfolge von Reich und Ola Raknes von Gerda Boyesen durchgeführt worden. Die Bindung findet mit Wasser statt, deshalb gibt es bei emotionaler Entladung Durchfall, Harndrang, Schwitzen udn Tränen. Es kommt auch vor, dass die Emotion auf anderem Weg entladen wird, wie eben Kinesiologie, Time-Line-Therapy, oder anderes. Der Beweis ist dann, dass man dringend auf Klo muss. (von Gerda Boyesen sind mehrere Bücher im Handel.)
Die meisten Menschen *denken* Freude, Liebe, Mitgefühl und verwechseln den Gedanken mit der Emotion. Der Fachausdruck ist "Mind-fucking".
Jedenfalls: IMHO: Wer Angst, Wut, Trauer, Verlangen, Abscheu unterdrückt, unterdrückt damit auch die Energie für Freude, Liebe, Interesse.
Das ist meine Landkarte und ein System der transformativen Emotionalität ist noch im Wachsen. Wobei mein Interesse heute eher den Höheren Emotionen gilt: Vertrauen, Mut, Dankbarkeit, Mitgefühl, Vergebung, Reue, Demut, Großzügigkeit, Würde, Ehre....
und letztendlich dem, was in english "Bliss" heißt und im Sanskrit "Ananda", und wofür es im deutschen nur unangemessene oder semantisch verhunzte Worte wie "Seligkeit" gibt.. Zum Bliss kommt man nicht durch Denken, sondern nur durch Nicht-Denken. Da hilft kein NLP.
Es ist jedenfalls IMO sehr wichtig, dass die Ausdruckskanäle offen sind und die Energie ausgedrückt wird. In unserer Gesellschaft besonders die Wut, sonst wird sie zu Auto-Aggression und die ist tödlich.
Wilhem Reich und Nachfolger ins NLP zu bringen, wäre mir eine Aufgabe. Da gibt es viele schlaue NLP-Bücher und in keinem kommt das Wort "Sex" vor. (Gegenbeispiele bitte!) Bzw. bei Bandler kommt es als "Fuck you" vor.
Eine Psychotechnik ohne "Sex"? Wie soll das funktionieren?
War NLP die große Hoffnung der Anti-Freudianer, die feststellen mussten, dass der Behaviourismus es nicht bringt...?
Tja, tut mir leid, nur im Kopf plus ein wenig Physiologie reicht nicht.
Deshalb war NLP mal "in": Phobien-Schnellkur. Wer will nicht seine Angst ratzfatz los sein? Aber es geht nicht die Angst weg, sondern man nimmt ihr nur ein Ventil. Und sind wir lösungs- und zielorientiert, um die Angst und den Schmerz, von dem wir weg wollen, nicht zu fühlen?
I am afraid, it may be so.
May this fear of mine, transform to love...
|
Autor | Thema: Emotionen |